Intel mit Strategiewechsel auf Kosten (Ost)Deutschlands
Zu früh gefreut: Mit der Intel-Chipfabrik im Großraum Magdeburg wird es nun doch nichts – zumindest erst einmal. Komplett gestrichen sind die Pläne noch nicht. Doch der US-Chiphersteller verschiebt den Bau des neuen Standorts um vorerst 2 Jahre.
Standort Ostdeutschland: Erhoffte Strahlkraft bleibt aus
Das ist vor allem aus deutscher Sicht bitter. Es ist bitter für den Standort Deutschland – und zwar insbesondere den Standort Ostdeutschland. Sowohl wirtschaftlich wie auch politisch hätte es dem Osten des Landes gutgetan, einen weiteren internationalen Großkonzern anzusiedeln, der für tausende Arbeitsplätze, wirtschaftlichen Aufschwung, aber auch internationales Miteinander sorgt.
Große Strahlkraft hatte man sich in Sachsen-Anhalt von der neuen Intel-Fabrik erhofft, ein zweites Technologiezentrum hätte neben dem bereits existierenden in Sachsen im Osten Deutschlands entstehen sollen. 10 Milliarden Euro an Subventionen hatte die Bundesregierung dafür lockergemacht – und das in Zeiten klammer Haushalte und anhaltenden Diskussionen um die Schuldenbremse.
Berlin diskutiert über Fördermilliarden
Umgehend ist dementsprechend in Berlin die Diskussion entfacht, was nun mit den frei gewordenen Fördergeldern geschehen soll. Einigkeit ist zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium diesbezüglich bisher nicht zu vernehmen.
So hinterlässt die Intel-Fabrik in Magdeburg bereits eine schmerzliche Lücke, noch bevor der erste Spatenstich getan war. Ob der in Zukunft noch erfolgen oder das Projekt doch komplett eingestampft wird, steht derzeit in den Sternen. Die 2 Jahre Aufschub, die Intel offiziell verkündet hat, gelten zunächst als grobe Schätzung – und ob sich die Bundesregierung nach dieser Schlappe noch einmal dazu wird durchringen können, Fördermilliarden in großem Stile freizugeben, ist ebenfalls fraglich.
Intel gibt USA den Vorzug
Für den US-Konzern ist der Schritt jedoch logisch. Offenbar nicht nur zeitlich scheint ein Zusammenhang zu bestehen zu zusätzlichen Subventionszusagen der US-Regierung an Intel. Man will den Chiphersteller am Heimatmarkt (noch) stärker einspannen für die Entwicklung und Produktion von Halbleitern für den militärischen Gebrauch. Zudem hat Intel gerade erst einen größeren Deal mit Amazon abgeschlossen. Beide – sowohl Amazon als auch das US-Militär – gelten als zahlungskräftige und verlässliche Großabnehmer. Diese Perspektive fehlte offenbar in Magdeburg, als die strategischen Entscheidungen im Intel-Headquarter gefällt wurden.
Hinzu kommt, dass Intel selbst gerade wirtschaftlich angeschlagen ist. Von der einstigen Position des Weltmarktführers ist man längst weit entfernt. Die Konkurrenz nimmt zu, immer mehr Unternehmen entwickeln eigene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Chips mit kleineren Zulieferern. Erst vor wenigen Wochen kündigte der US-Konzern daraufhin einen radikalen Job-Kahlschlag an: Weltweit sollen 15.000 Stellen abgebaut werden, fast jeder sechste Beschäftigte muss das Unternehmen verlassen.
Deutschland braucht Intel mehr als umgekehrt
Doch trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen sich Intel gerade stellen muss: Unterm Strich braucht Deutschland die Intel-Fabrik mehr als umgekehrt. Aus Imagegründen, um sich technologisch für die Zukunft zu wappnen, um Ostdeutschland für Fachkräfte insgesamt attraktiver zu machen – insofern ist es schwer vorstellbar, dass aus Berlin eine Absage kommt, sollte Intel seine Pläne in 2 Jahren tatsächlich noch verwirklichen wollen.
Umgekehrt ist jedoch fraglich, ob Intel einen Standort in Magdeburg in 2 Jahren noch braucht. In einem so langen Zeitraum kann viel Unvorhergesehenes passieren – zumal sowohl in Deutschland als auch in den USA in der Zwischenzeit eine nationale Wahl und somit wohl jeweils ein Regierungswechsel ansteht. Nachfolgende Regierungen verfolgen womöglich eine andere Agenda und setzen andere Schwerpunkte in ihrer Subventionspolitik. Stand jetzt ist somit mehr als ungewiss, ob es je zu einer Ansiedelung von Intel in Sachsen-Anhalt kommen wird.
Intel Aktie springt an – Anleger begeistert, Analysten zurückhaltend
Bei Anlegern jedenfalls kamen die strategischen Entscheidungen des Managements um CEO Pat Gelsinger erst einmal sehr gut an: Die Intel Aktie machte nach Bekanntwerden der Absage an Magdeburg und dem Mega-Deal mit Amazon einen Sprung nach oben und notiert auf Wochensicht mehr als 5 Prozentpunkte im Plus.
Mehrere Analysten reagierten in dieser Woche mit aktualisierten Einschätzungen, beließen dabei jedoch Empfehlungen und Kursziele meist unverändert bei. Eine neutrale Bewertung mit Empfehlung zum Halten der Intel Aktie erneuerten unter anderem das US-Analysehaus Bernstein Research (Kursziel: 25 Dollar), die Deutsche Bank (Kursziel: 27 Dollar) sowie die Schweizer Großbank UBS, die mit einem Kursziel von 32 Dollar das optimistischste Kurspotenzial von mehr als 50 Prozent gegenüber der aktuellen Notierung in den Raum stellt. Die US-Großbank JP Morgan rät zum Verkauf der Intel Aktie, sieht mit einem Kursziel von 26 Dollar jedoch ebenfalls noch Luft nach oben.
Zuletzt kostete das Papier rund 21 Dollar. Die jüngste Rally kann nicht über die anhaltende Kursschwäche hinwegtäuschen: Seit Beginn des Jahres ist der Kurs um fast 60 Prozent eingebrochen. Höchste Zeit also für Gelsinger, die Reißleine zu ziehen – in diesem Fall auf Kosten Magdeburgs.