Fed: Ein bisschen Zinswende
Sicherlich, es ist ein Paradigmenwechsel. Zum ersten Mal seit 2018 hat die Federal Reserve den Leitzins angehoben. Zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sie damit den Krisenmodus verlassen – beziehungsweise gewechselt.
Von einem Krisenmodus in den nächsten
Stand bislang das Bemühen an erster Stelle, die Konjunktur nicht abzuwürgen und möglichst fluide Liquidität in die Märkte zu pumpen, richtet sich das Augenmerk nunmehr auf die Inflationsdynamik. Die ist in den USA bekanntlich noch gravierender als in Europa, zuletzt lag die Teuerungsrate in den Vereinigten Staaten bei rund 8 Prozent, in Europa erreicht sie derzeit etwas mehr als 5 Prozent. Zur Erinnerung: Sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank (EZB) streben eine Inflationsrate von etwa 2 Prozent an. Davon ist man aktuell so weit entfernt wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr.
Was also tun? Eine Zinsanhebung gilt als logischer Schritt, um der inflationären Geldentwertung etwas entgegenzusetzen. Seit Monaten pochen Ökonomen und Volkswirte auf entsprechende Schritte, und tatsächlich hat sich die Fed um ihren Chef Jerome Powell dazu durchgerungen, für das laufende Jahr gleich mehrere Zinsschritte anzukündigen.
Märkte hatten 0,5 Prozent eingepreist
Beobachter waren von einer Anhebung um zunächst 0,5 Prozent ausgegangen. Das wäre drin gewesen, die Aktienmärkte hatten das bereits eingepreist. Doch die Fed zuckte zurück – und verkündete gestern lediglich einen Trippelschritt, eine Anhebung um gerade einmal 0,25 Prozent.
Gewiss, es ist nie verkehrt, die Märkte behutsam auf entsprechende Richtungswechsel vorzubereiten. Während der globalen Finanzkrise vor gut 10 Jahre hatte Powells Vor-Vorgänger Ben Bernanke die Märkte mit überraschenden Zinsschritten zusätzlich geschockt, daraus hat man gelernt. Etwas beherzter aber hätte die Fed durchaus agieren können, wenn sie der galoppierenden Inflation tatsächlich wirksam entgegentreten will.
Zögern und Zaudern bei Notenbankern von Fed und EZB
Noch zögerlicher agiert die EZB. Obwohl die Inflationsrate im Euroraum so hoch ist wie nie zuvor seit Einführung der Gemeinschaftswährung, sind Zinsschritte erst am weit entfernten Horizont zu erahnen. Erst einmal wollen die Währungshüter aus ihren Anleihekäufen aussteigen.
So hatten auch die US-Kollegen ihren Richtungswechsel eingeleitet, das US-Anleihekaufprogramm läuft nun schon im Frühjahr aus und auch in Europa ist voraussichtlich im dritten Quartal mit einem Ende der bisherigen Finanzspritzen zu rechnen.
Abgleiten in Lohn-Preis-Spirale?
Eine Zinswende aber strebt Notenbankchefin Christine Lagarde erst danach an. Die kommenden Monate herrscht also weiterhin Nullzinspolitik in Europa, während sich die Inflationsspirale munter weiterdreht.
In den USA droht bereits die nächste Eskalationsstufe: Es fehlt nicht mehr viel, und eine nur schwer zu stoppende Lohn-Preis-Spirale würde an Fahrt aufnehmen. Das Wechselspiel aus steigenden Löhnen und steigenden Verbraucherpreisen würde die Inflation in ungeahnte Höhen katapultieren und wohl auch an Europa nicht spurlos vorbeigehen.
Zur Not eine Rezession riskieren?
Immerhin haben die Währungshüter diesseits wie jenseits des Atlantiks inzwischen begriffen, dass sie aktiv werden müssen – vom Zuschauen wird die Inflation nicht verschwinden. Um allerdings spürbar entlastende Effekte auf die gesamte Volkswirtschaft auszuüben, wäre ein etwas beherzteres Eingreifen wünschenswert – selbst, wenn dafür eine kurzzeitige Rezession in Kauf genommen werden müsste.
Die ist angesichts der aktuellen globalen Großwetterlage ohnehin nicht auszuschließen: Der Krieg in der Ukraine und der Konflikt mit Russland haben bereits jetzt erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, hinzu kommen anhaltende Lieferkettenprobleme und die etwas in den Hintergrund gerückte, aber längst nicht überwundene Corona-Pandemie.