Boeing: Rückschlag vor Q3-Bilanz
Wenige Tage vor der Präsentation der jüngsten Quartalsbilanz hat Boeing einen Rückschlag erlitten: Ein US-Gericht in Texas entschied vergangene Woche, dass die Todesopfer der beiden 737 Max-Abstürze juristisch als „Opfer eines Verbrechens“ eingestuft werden.
737 Max Desaster bringt Boeing und FAA in Bedrängnis
Im Oktober 2018 sowie im März 2019 waren zwei Maschinen des Typs Boeing 737 Max abgestürzt, insgesamt kamen dabei 346 Menschen ums Leben. Die Absturzserie hatte gravierende Folgen für den Hersteller: Weltweit wurde ein Flugverbot erlassen, der meistverkaufte Jet von Boeing durfte fast zwei Jahre lang weder starten noch landen.
Untersuchungen ergaben eine fatale Verkettung von Umständen, die zu den Abstürzen geführt hatten und die Boeing sowie der US-Luftfahrtbehörde FAA angelastet wurden. Weil die Triebwerke anders platziert wurden als bei früheren 737-Maschinen, verlagerte sich der Schwerpunkt des Jets. Damit sich das Flugzeug aber genauso fliegen lässt wie ihre Vorgänger, wurde eine Software eingebaut, die während des Flugs die Differenz ausgleicht. Das Problem: Die Piloten wurden hierfür nicht geschult, mehr noch – sie wussten nicht einmal von dieser Software an Bord. Dementsprechend waren sie desorientiert und überfordert, als das Programm eingriff. Sie verstanden nicht, was im Computersystem geschah, was letztlich zum Absturz der Maschinen führte.
Sicherheitsrelevante Zertifizierungsverfahren im Fokus
Ein Desaster für Boeing, denn immerhin war es ein Verkaufsargument für die 737 Max, dass eben keine Nachschulungen und teure Simulatorflüge für Piloten notwendig sein sollten. Das machte den Umstieg aus Sicht vieler Airlines besonders attraktiv. Inzwischen hat Boeing bei der Software nachgebessert, auch die Schulung der Piloten auf das System wurde überarbeitet.
In der Luftfahrtbranche sorgte der Fall weltweit für Aufsehen. Nicht nur Boeing, sondern auch die FAA als Zulassungsbehörde geriet öffentlich unter Druck: Waren hier die Prüfungen zu nachlässig? Hatte man sich allzu sehr auf die Angaben der Hersteller verlassen, ohne selbst die erforderlichen Sicherheitsstandards gegenzuchecken?
Angekratztes Image nach verhängnisvollem Gemauschel
Vieles spricht dafür, dass ohne das Zusammenwirken von Boeing und FAA die Abstürze in dieser Form wohl nicht geschehen wären. Das bestätigte nun auch das zuständige Gericht in Texas – und ebnete den Angehörigen der Absturzopfer damit den Weg zur strafrechtlichen Verfolgung von Boeing als verantwortlichem Hersteller. Es drohen Klagewellen, die für den Airbus-Konkurrenten kostspielig werden könnten.
Für Boeing selbst war das Debakel der Auftakt einer existenziellen Krise. Die Wiederzulassung der Jets erfolgte mitten in der Pandemie, als der weltweite Flugverkehr weitgehend eingestellt war. Inzwischen hat sich die Luftfahrt zwar wieder etwas erholt und auch die Fluggesellschaften haben die 737 Max wieder vermehrt bei Boeing bestellt. Doch das Image ist nach wie vor angekratzt.
Q3-Bilanz am Mittwoch erwartet
Nun droht auch wirtschaftlich weiteres Ungemach: Bis zum Jahresende müssen die neueren Versionen 737 Max 10 und 737 Max 7 zertifiziert sein, andernfalls läuft die entsprechende Frist ab. Dann müsste das Verfahren komplett von vorn beginnen, es gilt als langwierig und teuer – zumal inzwischen neue Gesetze mit strengeren Vorgaben gelten, sodass es womöglich noch zu notwendigen Überarbeitungen vor einer Zertifizierung kommt.
Die Boeing Aktie hat seit Beginn des Jahres gut ein Fünftel an Wert verloren, konnte in den vergangenen Wochen jedoch wieder etwas Boden gutmachen. Die Geschäftsbilanz für den Zeitraum von Juli bis Ende September legt der US-Flugzeughersteller planmäßig am Mittwoch, den 26. Oktober, vor.