Boeing bleibt im Krisenmodus – und reißt Airlines in den Abgrund

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Pleiten, Pech und Pannen begleiten Boeing auch rund 6 Jahre nach dem ersten fatalen Absturz einer Maschine des Typs 737-Max. Auch im Jahr 2024 sorgt der Unglücksflieger weiter für Negativschlagzeilen.

Steuerfunktion blockiert: NTSB warnt vor neuen Problemen mit 737-Max

Zwar dürfen Jets dieses Typs nach fast 2 Jahren am Boden inzwischen wieder abheben. Doch das Jahr begann bereits mit einem im Steigflug herausgebrochenen, türgroßen Rumpfteil – und gerade erst hat die US-Flugunfallbehörde NTSB eine dringliche Warnung herausgegeben. Nach monatelangen Ermittlungen verweist die Behörde auf eine Fehlfunktion der Rudersteuerung.

Hintergrund ist die Untersuchung eines Zwischenfalls, bei dem die Steuerfunktion bei der Landung blockiert hatte und sich nicht wie üblich per Pedal vom Cockpit aus steuern ließ. Die Ursache des Problems ist offenbar ein fehlerhaft montiertes Bauteil eines Zulieferers, das in gut 350 Maschinen des Typs installiert wurde. Dabei kam es offenbar zu einer unzureichenden Abdichtung. Dringt Feuchtigkeit ein, kann diese gefrieren und dadurch die Steuerung blockieren, was die Funktionalität erheblich beeinträchtigt und im schlimmsten Fall zu Unfällen führen könnte.

Verhandlungen mit Gewerkschaft abgebrochen

Aktuell lautet die Weisung an die Piloten, in einem solchen Fall mit maximaler Kraftanwendung zu versuchen, im wahrsten Sinne des Wortes das Eis zu brechen und die Blockade zu lösen. Dennoch will man nun bei Boeing tätig werden und die betroffenen Bauteile schnellstmöglich austauschen.

Tätig werden ist jedoch ein weiteres Stichwort, denn tätig sind die Beschäftigten bei Boeing zurzeit nur eingeschränkt. Sie streiken. Die größte Gewerkschaft, die rund 33.000 Beschäftigte vertritt, die unter anderem auch an der Fertigung der 737-Max beteiligt sind, fordert ein kräftiges Lohnplus. Die Forderung beläuft sich auf 40 Prozent. Ein Angebot von Boeing über 25 Prozent Lohnsteigerung über einen Zeitraum von 4 Jahren lehnten die Arbeitnehmervertreter Mitte September ab.

Arbeitskampf bremst Boeing zusätzlich aus

Boeing besserte daraufhin beim Angebot nach, versprach 30 Prozent über 4 Jahre – doch auch das reicht der Gewerkschaft nicht. Die Gespräche wurden am vergangenen Freitag ergebnislos abgebrochen, der Streik wird fortgesetzt. Wann es mit den Verhandlungen weitergeht, ist offen.

Der Arbeitskampf belastet den Flugzeughersteller zusätzlich und führt zu weiteren Verzögerungen in der Produktion. Die ist ohnehin schon ausgebremst. So darf Boeing die Fertigung der 737-Max nicht wie geplant steigern, sondern muss auf bisherigem Produktionsniveau von 38 Maschinen pro Monat verharren, bis die von der Luftfahrtaufsichtsbehörde FAA geforderten Nachbesserungen erfüllt sind.

Neue Rückschläge auch bei 777X

Hinzu kommen nun auch noch Probleme mit dem Modell 777X, auf das unter anderem die Lufthansa sehnsüchtig wartet. Eigentlich sollten Ende 2025 die ersten Jets ausgeliefert werden, doch obwohl diese bereits fertig gebaut bei Boeing herumstehen, dürfte es wohl vor 2027 nichts werden mit der Inbetriebnahme. Davon geht zumindest Lufthansa-Chef Carsten Spohr mittlerweile aus und schichtet nun die Flotte um, um die Lücken zu schließen. Unter anderem sind die eigentlich längst eingemotteten acht Riesenjets vom Typ Airbus A380 wieder für die Lufthansa unterwegs.

Die Probleme mit der 777X sind potenziell verheerend. Nach wenigen tausend Flugstunden wurden bei einer routinemäßigen Inspektion Risse festgestellt an einem strukturell wichtigen Bauteil in der Aufhängung der Triebwerke. Diese Risse wurden bei allen 4 Testflugzeugen des Prototyps festgestellt. Möglicherweise muss bei der Konstruktion grundlegend nachgebessert werden. Das dürfte weitere Monate in Anspruch nehmen.

Airlines und Passagiere müssen Boeings Probleme ausbaden

Die Verzögerungen bei Boeing kommen auch die Airlines teuer zu stehen. Die Lufthansa würde gerne umrüsten auf leichtere und treibstoffsparende Modelle. United Airlines rutschte wegen eines zwischenzeitlichen Flugverbots für die 737 Max 9 im Auftaktquartal 2024 in die Verlustzone, weil allein dieser Zwischenfall die Airline rund 200 Millionen Dollar gekostet habe.

Während Fluggesellschaften wie die Lufthansa neben Boeing auch zahlreiche Airbus-Modelle zu ihrer Flotte zählen, verfügen andere, wie beispielsweise der Billigflieger Ryanair, fast ausschließlich über Jets von Boeing. Sie sind von den Problemen bei dem US-Hersteller ungleich härter getroffen. Für 2025 hat Ryanair das Passagierziel um 5 Millionen Fluggäste heruntergeschraubt – weil rund 20 Flugzeuge von Boeing fehlen.

Boeing Aktie im Tiefflug – Analysten dennoch zuversichtlich

Auch bei den Aktionären ist der Ärger groß. Die Boeing Aktie hat seit Beginn des Jahres bereits rund 40 Prozent an Wert verloren – Tendenz: weiter sinkend. Analysten zeigten sich zuletzt dennoch vorsichtig optimistisch und sehen die Talsohle offenbar erreicht. Im September gab es gleich 4 Kaufempfehlungen namhafter Analysten.

Die kanadische Bank RBC sieht das Kursziel bei 220 Dollar, die US-Investmentbank Goldman Sachs bei 232 Dollar, die Schweizer UBS bei 240 Dollar und das Analysehaus Jefferies gar bei 270 Dollar. Damit bescheinigen die Experten der Boeing Aktie ein Kurspotenzial von durchschnittlich mehr als 50 Prozent gegenüber der aktuellen Notierung, die zum Wochenauftakt bei gerade einmal gut 150 Dollar lag.

Wie schlimm es wirtschaftlich um Boeing steht, dazu dürften die Quartalszahlen Aufschluss geben, die für den 23. Oktober erwartet werden.