Baldige Straffung der US-Geldpolitik wahrscheinlicher – wirklich?
Die Überraschung kam faustdick: nach dem kurz zuvor veröffentlichten US-Arbeitsmarktbericht des privaten Dienstleisters ADP, der schwer enttäuschte, gingen die regierungsoffiziellen Daten vom Freitag erstaunlicherweise genau in die andere Richtung.
Erneut kräftiger Stellenaufbau in den USA – aber…
Demnach wurden im Juli in den USA insgesamt 943.000 neue Stellen geschaffen: Das ist der größte monatliche Zuwachs seit fast einem Jahr. Analysten hatten mit einem geringeren Zuwachs von 845.000 neuen Stellen gerechnet.
Nachdem es bei den kurz zuvor veröffentlichten ADP-Daten eine ungewöhnlich herbe Enttäuschung gegeben hatte (nur 330.000 neue Stellen statt der erwarteten 695.000) fragen wir uns: Wo kommt das plötzliche Jobwunder denn her? Sicher: die ADP-Daten klammern den staatlichen Sektor aus, den die Regierungsdaten einschließen. Aber erklärt das allein den Unterschied?
Nö. Denn den offiziellen Daten zufolge wurden im Juli 703.000 neue Stellen allein im Privatsektor geschaffen, während 240.000 zusätzliche Stellen auf den öffentlichen Sektor entfielen. Eine so drastische Abweichung bei den Daten (ADP: 330.000, US-Regierung: 703.000 neue Stellen) ist aber sehr ungewöhnlich. Was grundsätzlich den Verdacht nährt, dass bei den Regierungsdaten einmal mehr „angepasst“ wurde.
Schwer in Mode sind dabei „saisonale Glättungen“. Hier gab es schon in der Vergangenheit ab und an merkwürdige Verwerfungen. Dem Markt scheint das bisher aber ziemlich gleichgültig zu sein.
US-Stellenaufbau wird anfällig für Rückschläge
Es zeigen sich jedoch zusätzlich zwei interessante Entwicklungen. Zum einen betrug der Stellenaufbau im Mai 614.000 und im Juni 938.000. Die Juli-Zahlen zeigen mit 945.000 also eine Stagnation auf hohem Niveau an. Könnte die noch gute Lage bald kippen? Vielleicht.
Der jüngste Stellenaufbau wurde nämlich wie schon in den vergangenen Monaten von Branchen wie Freizeit, Tourismus und Unterhaltung angeführt. So verteilte sich der Stellenzuwachs im Juli auf die folgenden Branchen: 253.000 auf Bars und Restaurants, 74.000 auf Hotels, 53.000 auf die Unterhaltungsindustrie. Macht zusammen 380.000 neue Stellen oder 40% des gesamten Zuwachses im Bereich „Freizeit“, der besonders anfällig für eventuelle neue Einschränkungen im Zuge der sich auch in den USA ausbreitenden Delta-Variante ist.
In der Tat zeigen sich im gesamten US-Service-Sektor bereits erste Bremsspuren. Im Juli kam hier der Löwenanteil von 659.000 neue Stellen her. Im Vormonat Juni waren es aber noch 724.000. Zusammen mit einer insgesamt fast gleichbleibenden Anzahl neuer Stellen im Vergleich zum Vormonat ist das ein erstes Warnsignal. Dass die Party am US-Arbeitsmarkt allmählich in ihre finale Phase übergehen könnte. Von einem rückläufigen Stellenzuwachs oder sogar einem Stellenabbau (wie zu Zeiten des Corona-Crashs) sind wir freilich noch weit entfernt. Erst dann wird es wirklich ernst.
Baldige Straffung der US-Geldpolitik wahrscheinlicher – wirklich?
Die Marktreaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Während klassische (Value-)Aktien im Dow Jones Industrials Index zunächst spürbar zulegen konnten (der Index erreichte ein neues Allzeithoch), gerieten die im Nasdaq 100 gelisteten Wachstums-Titel unter Druck. Der Dollar präsentierte sich stärker und Gold fiel zurück, während die Renditen der US-Staatsanleihen zulegten.
Alles in allem scheint der Markt mit den starken Regierungsdaten eine zeitnahe Straffung der Geldpolitik einzupreisen, was dem Dollar, den Anleihen und manchen Aktien half.
Die Reaktionen am Freitag waren jedoch nicht sehr ausgeprägt und relativ kurzlebig, so dass ich hier nicht von einem neuen Trend ausgehe, der länger anhält. Denn auf den zweiten Blick zeigen sich erste deutliche Bremsspuren in der US-Konjunktur, die auch dem Markt nicht verborgen bleiben dürften.