US-Aktienmärkte: Die Lage sieht anders aus als Sie denken
Wall-Street-Legende Jim Rogers sagte damals zu mir: „Daniel, die meiste Zeit sollten Investoren gar nichts machen. Nur ein paar Mal, wenn die Kurse richtig tief stehen oder richtig hoch stehen, sollten sie aktiv werden und kaufen oder verkaufen. Ansonsten sollten sie zum Strand gehen und das Leben genießen.“
Abgesehen davon, dass ein Gang zum Strand immer eine gute Idee im Leben ist – so hat Jim Rogers zu 100 % recht. Der wichtige Punkt der Geduld und der Passivität gilt sowohl für Investments als auch auf einer kurzfristigeren Zeitebene für Trading. Die letzte Woche war wieder so ein Fall. Es war eine Woche, wo man am besten gar nichts machte.
Zum Quartalsende zog das Smart Money den Markt noch mal nach oben. Wichtig zu beachten: Es gab dadurch zahlreiche charttechnische Ausbrüche nach oben. Das ist gut für die Börsen-Bullen. Doch Vorsicht ist angebracht. Genau deshalb ist die Börsenweisheit von Jim Rogers in diesen Tagen sehr hilfreich.
Smart Money zieht die Börsenkurse nach oben
Die Kursanstiege zum Quartalsende fanden unter ungewöhnlich niedrigem Volumen statt. Gleichzeitig sehen wir Umschichtungen von großem institutionellen Kapital in defensive Sektoren wie Versorger oder Pharma. Das sind Warnzeichen, die wir im Hinterkopf behalten müssen.
Die Bankenkrise in den USA und Europa macht die makroökonomische Situation in den USA und Europa noch schwieriger. Eine neue Studie der Apollo Group hat errechnet, dass sich die verschärften Kreditvergaben der US-Banken nach der Pleite von Silicon Valley Bank auf den amerikanischen Kreditmarkt wie eine zusätzliche Zinserhöhung von rund 1,5 % auswirken.
Jerome Powell, Chef der US-Notenbank, hatte genau diese Entwicklung im Rahmen der jüngsten Zinserhöhung prognostiziert. Das bedeutet: Die offiziellen Zinsen liegen zwischen 4,75 bis 5,00 %. Aber die Auswirkungen auf den amerikanischen Kreditmarkt – der Antreiber der US-Wirtschaft – sind so, als ob die Zinsen bei rund 6,25 % liegen. Das ist gefährlich!
Realwirtschaftliche Situation in USA verschlechtert sich
Die verschärften Effekte im amerikanischen Kreditmarkt werden negative Auswirkungen auf das Konsumverhalten haben. Vor allem, wenn die Entlassungswellen weitergehen. Der Anleihemarkt preist bereits eine Rezession der US-Wirtschaft ein. Der Aktienmarkt jedoch nicht. Wie passt das zusammen?
Die Antwort: Gar nicht. Einer liegt hier falsch. Entweder der Anleihemarkt oder der Aktienmarkt. Aber jeder erfahrene Börsianer weiß: In solchen Fällen ist man gut beraten, auf den Anleihemarkt zu hören. Die Anleiheexperten sind in ihren Prognosen von Risiko wesentlich besser und treffsicherer als die Aktienanleger.
Ich bin der Meinung, dass das Smart Money den Aktienmarkt aktuell künstlich nach oben zieht. Dafür nutzt man sehr clever das niedrige Handelsvolumen aus. Durch die steigenden Kurse will man eine gute Quartals-Performance erzielen, die Börsenstimmung heben (wie im Dezember/Januar) und einen Puffer in den Aktienmärkten aufzubauen. Falls die kommende Quartalsberichtssaison schlecht ausfallen sollte.
Fazit: Die charttechnische Situation bei den großen US-Indizes und auch vielen großen Blue Chips hat sich verbessert. Aber die wirtschaftliche Lage nicht. Diese Schere muss sich schließen – und ich erwarte nicht, dass es in diesem Umfeld durch eine verbesserte Wirtschaft erfolgt. Seien Sie vorsichtig, wenn Sie jetzt noch neue Aktienpositionen kaufen wollen. Machen Sie es wie Jim Rogers: Warten Sie erst mal ab, wie sich die Dinge entwickeln.