Rio Tinto-Aktie: Jadar – Rohstoff-Gigant im Kreuzfeuer

Inhaltsverzeichnis

Es waren Zehntausende Menschen, die am Wochenende auf den Straßen der serbischen Hauptstadt Belgrad ihrem Unmut freien Lauf ließen. Die Protestierer skandierten unter anderem: „Ihr werdet nicht graben“, „Es wird keine Bergwerke geben“. Und: „Rio Tinto, verlasst Serbien.“

Wie Sie vielleicht schon in den Medien gelesen haben, ging und geht es bei diesen Protesten um das gigantische Lithium-Vorkommen im westserbischen Jadar-Tal.

Rio Tinto und Jadar: ein steiniger Weg

Zur Einordnung: Nach Jahren der Exploration hatte der Bergbaukonzern Rio Tinto im Jahr 2017 das Projekt offiziell angekündigt und ein Jahr später das Genehmigungsverfahren eingeleitet. Doch bereits 2021 hatte es massive Proteste vonseiten der Bevölkerung gegen die Lithiumförderung im Jadar-Tal gegeben. Dabei ging es vor allem um die möglichen Umweltauswirkungen eines dortigen Bergbaus. Umweltschützer monieren, dass das Metall hochgiftig sei und die Förderung das Grundwasser verunreinige sowie die Trinkwasserversorgung der Anwohner gefährde. Die serbische Regierung beugte sich schließlich den Protesten und verbot Rio Tinto die weitere Arbeit an dem Projekt.

Doch das Blatt hat sich zwischenzeitlich gewendet. Aus den kürzlich erfolgten Kommunalwahlen in Serbien ging die Partei von Staatspräsident Aleksandar Vučić als Siegerin hervor. Dies nahm Vučićzum Anlass, das von ihmunterstützte Lithium-Projekt wieder auf die Tagesordnung zu setzen und schließlich zu reaktivieren. Die Regierung hat Mitte Juli die Raumordnungsgenehmigung für das Jadar-Projekt wieder in Kraft gesetzt und so einen wichtigen Schritt eingeleitet, damit Rio Tinto abermals zur Tat schreiten kann.

Lithium aus Europa: Serbien holt die EU mit ins Boot

Aber nicht nur das: Vučić holte sich für das Projekt kürzlich auch Unterstützung von der EU und insbesondere von Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz war ebenfalls Mitte Juli in Belgrad zu Gast und bekräftige zusammen mit Vučić das gemeinsame strategische Interesse an einem Lithiumabbau in Serbien. Das Kalkül: Die EU-Staaten wollen ihre Bezugsquellen beim Lithium diversifizieren und ihre Abhängigkeit vor allem von China reduzieren. Hierfür soll das massive Vorkommen im Jadar-Tal, immerhin wohl das größte in Europa, eine wichtige Rolle spielen – vor allem wenn dort nicht nur der Rohstoff gefördert, sondern auch in batteriefähiges Material weiterverarbeitet wird.

Der Konzern will vor Ort knapp 60.000 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent pro Jahr produzieren. Hinzu kämen 160.000 Tonnen Borsäure und 255.000 Tonnen Natriumsulfat. Rio Tinto wäre damit auf einen Schlag einer der zehn größten Lithiumhersteller der Welt. Über die gesamte Lebensdauer der Mine (ca. 40 Jahre) könnte der Bergbaugigant insgesamt rund 2,3 Millionen Tonnen Lithiumkarbonat herstellen.

Renommierte Schützenhilfe: Mercedes und Stellantis signalisieren Unterstützung

Darüber hinaus setzt sich Staatspräsident Vučić dafür ein, dass auch die nachgelagerte Wertschöpfung nach Serbien geholt wird: angefangen bei der Verarbeitung in batteriefähiges Material über die Herstellung von Akkus bis hin zur Serienproduktion von Elektroautos. Der Politiker will damit erhebliches wirtschaftliches Potenzial freisetzen und sich gleichzeitig politisch stärker an die EU binden, auch mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen.

Dass der Plan aufgehen könnte, zeigte eine weitere Meldung aus dem Juli. So erörtern die beiden europäischen Autokonzerne Mercedes-Benz und Stellantis eine mögliche Unterstützung des Jadar-Projekts und vor allem der nachgelagerten Wertschöpfung. Die Autohersteller wollen damit ihre Bezugsquellen streuen und sich von chinesischen Lieferanten teilweise abnabeln.

Neue Demos: Vučić sprach zunächst von Putschversuch

Trotzdem: Das ganze Projekt bleibt ein Spiel mit dem Feuer. Das haben die neuen Proteste vom Wochenende abermals gezeigt. Umweltorganisationen haben diese initiiert und Zehntausende Menschen auf die Straßen gebracht. Präsident Vučić signalisierte angesichts der kumulierten Wut Gesprächsbereitschaft, kritisierte gleichzeitig aber das erneute Aufbegehren.

In einer Fernsehansprache gab er zu Protokoll, dass er die Demonstrationen nicht verstehe und zeigte sich fassungslos, dass die Menschen Serbiens Wirtschaft seiner Meinung nach zerstören wollten. Zeitweise sprach Vučić gar von einem von der Opposition orchestrierten Putschversuch. Trotzdem schloss der Politiker nicht aus, ein Referendum zu dem Projekt durchführen zu lassen, um endgültig die Fronten zu klären.

Rio Tinto im Kreuzfeuer

Und mittendrin in diesen politischen Grabenkämpfen steht Rio Tinto. Der Konzern hat sich in den letzten Jahren alle Mühe gegeben, mit verschiedenen Studien und Analysen zu belegen, dass sich die Umweltauswirkungen des Projekts in Grenzen hielten. Der Rohstoffgigant versprach, die höchsten ökologischen Standards anzuwenden. Ohnehin muss der Konzern noch eine umfassende Umweltverträglichkeitsstudie vorlegen, bevor die weiteren Projektschritte eingeleitet werden könnten. Experten erwarten, dass der Bau der Anlagen selbst im Optimalfall erst in zwei Jahren starten könnte.

Für Rio Tinto ist Jadar zweifelsohne eine heikle Angelegenheit. Der Konzern hat bereits hohe Summen in die Projektentwicklung investiert und befindet sich weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Dass die Regierung in Belgrad im Juli das Projekt wieder reaktivierte, war für den Konzern ein Hoffnungsschimmer nach Jahren des Abwartens. Trotzdem bleibt der Widerstand gegen das geplante Bergwerk enorm. Ob das Projekt am Ende tatsächlich umgesetzt wird, steht nach wie vor in den Sternen.

Wichtig: Selbst wenn Jadar doch noch scheitern sollte, könnte Rio Tinto als einer der größten und profitabelsten Rohstoffkonzerne der Welt diese Niederlage meiner Meinung nach gut weckstecken. Ohnehin hatte sich der Gigant als Reaktion auf die Querelen in Serbien mit Rincon in Argentinien unlängst ein weiteres Lithium-Projekt ins Portfolio gekauft, das jedoch zunächst deutlich kleiner angelegt ist. Mit Blick auf die aktuell schwachen Lithiumpreise und die weltweiten Überkapazitäten wäre ein kleineres Projekt am Ende vielleicht gar von Vorteil.