Nagarro – Bäume wachsen nicht in den Himmel
Auf einmal mochte der IT-Dienstleister Nagarro die schlechten Nachrichten seinen Anlegern wohl nicht zumuten. Nach Börsenschluss am Freitag veröffentlichte es eine Umsatzwarnung für das Jahr 2023. Heute vor Börseneröffnung folgten unerwartet schwache Zahlen für das erste Quartal.
Kosten steigen schneller als die Umsätze
Das Münchner Unternehmen gilt als einer der Weltmarktführer im Bereich der digitalen Entwicklung, insbesondere Produkt-Engineering und Digital Commerce. Das Unternehmen ist erst 2020 als Abspaltung des Allgeier-Konzerns entstanden und wurde bereits 2021 in den SDAX und den TecDAX aufgenommen.
Wenn man die Entwicklung im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum betrachtet, sehen die Zahlen für die ersten drei Monate 2023 gar nicht so übel aus. Der Umsatz schnellte um 23,7% auf 229,5 Millionen Euro nach oben, die Kosten mit plus 24,4% auf 168,2 Millionen allerdings noch etwas stärker. Als Bruttoertrag blieben mit 61,4 Millionen Euro immerhin noch 22% mehr übrig als ein Jahr zuvor.
Beim bereinigten operativen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) betrug der Zuwachs allerdings nur noch 8,4% auf 31,4 Millionen Euro. Das unverwässerte Ergebnis je Aktie legte um 10 Cents von 1,01 Euro auf 11,10 Euro zu.
Nachlassende Weltkonjunktur
Enttäuschender verlief die Entwicklung jedoch gegenüber dem Vorquartal, also den letzten drei Monaten 2022. Da gingen die Umsätze um 0,6% zurück, und das bereinigte EBITDA kletterte lediglich um 1,7%. Nagarro sieht das vor allem als Folge der nachlassenden Weltkonjunktur, die das Wachstum des Unternehmens, das in vielen Branchen und Regionen tätig ist, bremst.
Das lässt sich am besten an den Umsatzerlösen in den beiden wichtigsten Märkten ablesen: In den USA ging der Umsatz im Vergleich zum Vorquartal um 9,6% auf 85,1 Millionen Euro zurück – zum Teil bedingt durch den schwachen Dollar – und in Deutschland um 0,4% auf 45,7 Millionen Euro. Gegenüber des ersten Jahresviertels 2022 bedeutet das jedoch immerhin noch ein Plus von 20,4 % (USA) und 17,0% (Deutschland).
Vorstand stutzt die Jahresprognosen deutlich
Aufgrund der konjunkturellen Unwägbarkeiten nahm das Management die Umsatzprognose für 2023 merklich zurück. Die Verkaufserlöse sollen nun auf 940 Millionen klettern. Das wäre ein Plus von 10%. Ursprünglich sollte erstmals die Milliardenmarke überwunden werden. Da die bereinigte operative Marge (EBITDA) von 17,3% im Jahr 2022 auf 15% 2023 zurückgehen soll, kann man sich leicht ausrechnen, dass die Gewinne deutlich schwächer ausfallen dürften als es am Markt bisher erwartet worden war.
Nagarro sieht den Rückschlag in diesem Jahr allerdings lediglich als relativ kurzfristige Entwicklung an. Mittelfristig strebt das Unternehmen weiterhin ein hohes organisches Umsatzwachstum und ab 2026 eine bereinigte EBITDA-Marge von 18% an.
Kurs stürzt um über 10 Prozent ab
Bereits nach der Umsatzwarnung vom Freitag-Abend stürzte die Nagarro-Aktie um rund 9% ab. Heute im frühen Vormittagshandel setzte sich der Abschwung in langsamerem Tempo fort und die Aktie notierte bei Kursen knapp über 83 Euro. Der Schlusskurs am Freitag hatte 92,70 Euro betragen, so dass sich insgesamt ein Minus von gut 10% ergibt. Als erstes Analysehaus hat Jefferies auf die Zahlen und den reduzierten Ausblick reagiert. Die Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 174 – also mehr als doppelt so hoch wie aktuell – bleibt zwar wegen der „Bewertungslücke zu Aktien vergleichbarer Unternehmen“ bestehen, kurzfristig könne die Aktie aber leiden. Ende April hatte Warburg Research sogar ein Kursziel von 220 Euro bestätigt. Das Allzeithoch seiner noch kurzen Börsenhistorie hatte Nagarro Anfang 2022 mit 212 Euro erklommen.