Machtkampf zwischen Aktienmarkt und US-Notenbank
Der erste Faktor ist der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Fed. Das Inflationsthema ist an den Börsen durch. Das hatte ich Ihnen schon Anfang des Jahres geschrieben. Es ist nur noch im Kontext der Zinspolitik der Fed interessant. Die Börsianer erwarten, dass der Zinserhöhungszyklus nun dem Ende zugeht.
Vielleicht gibt es noch einen kleinen Zinserhöhungsschritt um 25 Basispunkte auf einem der kommenden Fed-Treffen. Aber das war es dann. Angesichts der Bankenkrise in den USA (und in Europa) ist diese These in meinen Augen richtig. Doch hier kommt der entscheidende Punkt, der über die Richtung der Aktienmärkte entscheiden wird:
Die Aktienmärkte haben mit der jüngsten Rallye ein Szenario eingepreist, dass die Fed die Zinsen jetzt schnell senken wird. Wie eine umgekehrte V-Formation. Wie Fed jedoch selbst angekündigt hat, möchte sie die Zinsen erst mal auf dem höheren Niveau belassen, um dadurch die Inflation zu bekämpfen.
Aktienmärkte preisen schnelle Zinssenkungen ein
Die Börse erwartet also eine umgekehrte V-Formation. Die Fed möchte eine umgekehrte U-Formation. Was bedeuten würde: Die Zinsen würden länger höher bleiben. Vermutlich mindestens bis in den Sommer hinein. Im Rahmen des letzten Fed-Meetings hatten Fed-Chef Jerome Powell dem Szenario der schnellen Zinssenkungen eine klare Absage erteilt.
Aber die Aktienmärkte glauben, dass die Fed blufft und ihren Plan einer Beobachtungsphase mit hohen Zinsen in der Realität nicht durchhalten kann. Die Krise im Finanzsystem werde die Fed dazu zwingen, die Zinsen schnell wieder zu senken. Und jetzt aufgepasst: Diese Entwicklung hat die Börse mit der jüngsten Rallye bereits vorweg genommen.
Das ist ein Grund, warum die Hightech- und Wachstumsaktien in der jüngsten Rallye so stark gestiegen sind. Wachstumsaktien profitieren von niedrigen Zinsen. Das bedeutet aber auch: Wenn die Fed ihren Plan durchhält und umsetzt, ist der Aktienmarkt auf den aktuellen Kursniveaus völlig falsch positioniert – und wir werden eine heftige Korrekturwelle bekommen.
US-Notenbank Fed will höhere Zinsen länger beibehalten
Aktuell weiß niemand, welche der beiden Seiten richtig liegt. Deshalb pendelt der Aktienmarkt in den vergangenen Tagen de facto seitwärts. Dies führt uns zu dem zweiten Faktor, der die nächste Richtung bestimmen wird: Die Geschäftsentwicklung der Unternehmen. Die nächste Berichtssaison steht nun vor der Tür.
Den Auftakt machen ausgerechnet die Banken. Wichtiger als die neuen Geschäftszahlen für das abgelaufene Quartal werden in dieser Berichtssaison die Ausblicke und Kommentare der Manager für die kommenden Quartale sein. Diese Aussagen der Manager werden die Kurse bestimmen.
Fazit: Aktuell liegen die Gewinnerwartungen für alle 500 Unternehmen aus dem S&P 500 für 2023 bei rund 223 USD. Doch die Gewinnerwartungen sind viel zu hoch, wenn die Zinsen „höher für länger“ bleiben, die Kreditvergaben nach der Bankenkrise strikter werden und die Entlassungswellen, wie jüngst bei Disney, fortschreiten. Das mittelfristige Überraschungspotenzial an den Börsen liegt also auf der „Downside“.