Boeing unter Druck: 737 Max 10 vor dem Aus?

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Boeing droht das nächste Desaster mit der 737 Max. Die mit Abstand wichtigste Modellreihe des US-Flugzeugbauers durfte fast zwei Jahre lang nicht abheben. Rund um den Globus hatten Behörden den Betrieb der 737 Max 8 untersagt, nachdem zwei Flugzeugabstürze mit mehreren hunderten Todesopfern auf eine spezifische Software zurückgeführt werden konnten, über die die Piloten vorab nicht informiert wurden.

Droht das nächste 737 Max Desaster?

Die Maschinen blieben also am Boden. Die Max 8 musste umgerüstet werden, ehe sie wieder abheben durfte. Eine Wiederzulassung erfolgte mitten in der Pandemie, als generell weltweit kaum Flüge stattfanden. Für Boeing wurde das wirtschaftliche Fiasko zur existenziellen Bedrohung.

Nun droht die längere Version des Verkaufsschlagers, die Max 10, das Unternehmen erneut in eine Krise zu stürzen. Bislang liegt keine Zulassung des Modells durch die US-Behörden vor. Entsprechende Fristen laufen zum Ende des Jahres ab. Sollte bis dahin keine Zertifizierung erfolgt sein, müsste der gesamte Prozess von vorn durchlaufen werden – ein äußerst zeitaufwendiges wie auch kostspieliges Unterfangen, das man bei Boeing um jeden Preis vermeiden will, zumal in einer Neuauflage des Zulassungsverfahrens wohl neue Gesetze zur Anwendung kämen, die strengere Vorgaben machen. Möglicherweise würde der Flieger also die neuen Anforderungen nicht sofort erfüllen, was unweigerlich zu weiteren Verzögerungen führen würde.

US-Kongress im Zwiespalt

Nun hofft Boeing-Chef Dave Calhoun auf eine Ausnahmegenehmigung vom US-Kongress. Dieser könnte eine Fristverlängerung des Zulassungsverfahrens gewähren. Auf der einen Seite ist der US-Administration daran gelegen, den eigenen Flugzeugbauer im Konkurrenzkampf mit dem europäischen Rivalen Airbus nicht noch weiter zu schwächen – nicht zuletzt hängen zahlreiche Arbeitsplätze am Wohlergehen von Boeing.

Auf der anderen Seite aber ist man ebenso alarmiert wie verärgert über die Kumpanei zwischen Unternehmen und Behörden, die ans Licht kamen: Offenbar hatten Prüfer der US-Luftfahrtbehörde FAA nicht so genau hingeschaut bei der Zertifizierung der Max 8 und sich allzu sehr auf Angaben des Herstellers verlassen. So etwas soll nicht noch einmal vorkommen, man schaut nun also etwas strenger hin als zuvor.

Wird die gesamte Baureihe gestoppt?

Calhoun wählte zuletzt drastische Worte mit Blick auf die Entscheidung des Kongresses. Sollte das laufende Zertifizierungsverfahren scheitern, sähe sich Boeing demnach gezwungen, die Baureihe 737 Max 10 komplett einzustellen. Problematisch wäre das auch für viele Airlines: Mehr als 600 Jets des Typs wurden bereits geordert.

Für Airbus dagegen läuft es rund. Der deutsch-französische Flugzeugbauer, dessen Aktie seit kurzem im Leitindex Dax gelistet ist, konnte kürzlich einen Großauftrag aus China einheimsen: Gleich mehrere chinesische Fluggesellschaften bestellten Mittelstreckenflugzeuge aus der Modellfamilie A320neo, insgesamt 292 Maschinen landeten neu in den ohnehin prall gefüllten Auftragsbüchern von Airbus.

Nun also doch: Lufthansa holt A380 zurück

Neuigkeiten in Sachen Airbus gibt es unterdessen auch bei der Lufthansa. Die Rede ist allerdings nicht von einem neuen Großauftrag. Vielmehr sollen die seit der Pandemie eingemotteten Riesenjets A380 nun offenbar doch reaktiviert werden. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte einen solchen Schritt noch vor wenigen Wochen ausgeschlossen.

Nun aber haben sich die Umstände verändert. Zum einen erholt sich die Nachfrage auf Seiten der Passagiere bereits in dieser Sommersaison deutlich. Zum anderen müssen Airlines auf bereits bestellte Jets länger warten als gedacht – Produktionsausfälle wegen Corona-Lockdowns, Materialengpässen und Lieferausfällen machen auch vor den Flugzeugbauern nicht Halt.

Luftfahrtbranche kapituliert vor Sommerreisewelle 2022

Der A380 ist das bis dato größte Passagierflugzeug der Welt und kann mehr als 500 Personen gleichzeitig transportieren. Die Lufthansa hat ihre 14 Flugzeuge des Typs langfristig in Spanien und Frankreich geparkt, 6 der Maschinen sind bereits an andere Fluggesellschaften verkauft. Wann und wie viele der verbliebenen 8 Riesenjets wieder in die Lufthansa-Flotte aufgenommen werden und welche Ziele sie ansteuern sollen, wird aktuell noch erörtert. Die Reaktivierung ist allerdings wohl erst für den kommenden Sommer geplant.

Für dieses Jahr gibt sich die Luftfahrtbranche weitgehend geschlagen. Auch die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings haben bereits tausende Flüge aus dem Sommerflugplan gestrichen, an den Flughäfen herrschen regelmäßig chaotische Zustände bei den Sicherheitskontrollen, aber auch bei der Gepäckabfertigung.

Personalstrategie: Am falschen Ende gespart?

Grund sind in erster Linie Personalausfälle. Diese gehen zum Teil auf einen hohen Krankenstand zurück – etliche Crewmitglieder und Flughafenbeschäftigte liegen mit Corona flach. Zum Teil sind die Probleme aber auch hausgemacht: Die Lufthansa, wie auch andere Airlines sowie Flughafenbetreiber und deren Dienstleister haben während der Pandemie massiv Personal entlassen, um Kosten zu sparen. Nun müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht rechtzeitig gegengesteuert und neue Fachkräfte rekrutiert zu haben – eine starke Reisewelle für diesen Sommer hatte sich bereits zu Beginn des Jahres abgezeichnet, wie selbst Lufthansa-Chef Spohr seinerzeit immer wieder betont hatte.

An den Flughäfen ist der Personalbestand zuletzt auf den tiefsten Stand seit 7 Jahren gesunken, die Airports zählten rund 11 Prozent weniger Beschäftigte als vor Beginn der Pandemie. Allein bei Fraport, dem Betreiber des größten deutschen Flughafens in Frankfurt am Main, wurden im Zuge der Pandemie rund 4.000 Stellen gestrichen. Lediglich rund 1.000 davon wurden bislang nachbesetzt, wie das Unternehmen einräumt. Wie prekär die Lage ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass mehrere Vorstandsmitglieder sowie zahlreiche Angestellte aus dem Verwaltungsbereich derzeit im laufenden Betrieb aushelfen.

Nachfrage erholt sich schneller als erwartet

Das Institut der deutschen Wirtschaft schätzt die Zahl fehlender Personalbestände in der Luftfahrtbranche auf etwa 7.200 Beschäftigte, die zusätzlich benötigt würden. Für die Airlines ist das bitter: Nach zwei Jahren Pandemieflaute hatte man sich eine starke Sommersaison erhofft, stattdessen müssen nun etliche Flüge gestrichen werden.

Das dürfte sich nicht nur im Nervenkostüm der betroffenen Reisenden bemerkbar machen, sondern auch Auswirkungen auf die Bilanz des Sommerquartals haben. Gerechnet hatte die Branche mit einer Auslastung von etwa 70 bis 75 Prozent des Vor-Pandemie-Niveaus, tatsächlich liegt die Nachfrage schon jetzt zum Teil so hoch wie im Sommer 2019. Eigentlich eine positive Nachricht, die nun aber wegen allzu umfassenden Personalabbaus auch für die Lufthansa ins Negative umschlägt.

Investor Kühne stockt Lufthansa Anteile auf – jetzt größter Aktionär

An eine rosige Zukunft glaubt indes Investor Klaus-Michael Kühne. Mit seiner Beteiligungsgesellschaft Kühne Aviation (KA) hat er vor wenigen Tagen den Bund als größten Anteilseigner abgelöst: Kühne stockte seinen bislang 10prozentigen Anteil auf 15,01 Prozent auf. Der Bund hält über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds nach wie vor 14,1 Prozent der Anteile an der Lufthansa, die kurz nach Beginn der Pandemie in eine existenzbedrohende Schieflage geraten war, vor der Insolvenz gerettet wurde und bald darauf aus dem Dax flog. Seither ist die Lufthansa Aktie im MDax der mittelgroßen Werte gelistet.

Seit Beginn des Jahres ging es für die Lufthansa Aktie rund 14 Prozentpunkte abwärts. Die zurückliegende Handelswoche beendete das Papier jedoch knapp 2 Prozent im Plus bei 5,80 Euro – nicht zuletzt, weil Anleger die Nachricht über die Aufstockung Kühnes positiv aufnahmen.

Lufthansa Aktie: Analysten wenig zuversichtlich

Analysten hingegen zeigten sich in jüngerer Vergangenheit weit weniger optimistisch. Vor allem kurzfristig sehen sie kaum Erholungspotenzial für die Lufthansa Aktie. Erst mit Blick auf die kommenden zwölf Monate ist mit einer Stabilisierung zu rechnen, argumentieren etwa die Experten der Schweizer Großbank UBS. Sie bekräftigten in der vergangenen Woche ihre neutrale Einstufung der Lufthansa Aktie mit einem Kursziel von unverändert 7,25 Euro.

Die Fraport Aktie hat seit Jahresbeginn gut ein Drittel an Wert verloren und kostete zuletzt noch rund 40 Euro. Analysten sind hier jedoch insgesamt etwas positiver gestimmt als mit Blick auf die Lufthansa. Sie bescheinigen der Fraport Aktie deutlich häufiger Aufholpotenzial, vereinzelt gibt es sogar Kaufempfehlungen, so etwa von Goldman Sachs (Kursziel: 64 Euro) oder Warburg Research (Kursziel: 60 Euro).

Airbus Aktie mit klarem Aufwärtspotenzial

Anteilsscheine von Airbus notieren seit dem Jahreswechsel gut 17 Prozent im Minus und rutschten zuletzt unter die Marke von 100 Euro. Analysten sind hier jedoch zuversichtlich: Zahlreiche Experten sprachen in den vergangenen Wochen Kaufempfehlungen für den deutsch-französischen Flugzeugbauer aus, nicht zuletzt wegen der steigenden Nachfrage und den prall gefüllten Auftragsbüchern dürfte es hier wieder bergauf gehen.

So bescheinigen die US-Großbanken JP Morgan und Goldman Sachs der Airbus Aktie Kursziele von 180 beziehungsweise 182 Euro und trauen dem Papier damit nahezu eine Verdoppelung zu. Andere Analystenstimmen sind zurückhaltender: Viele sehen die faire Bewertung zwischen 140 und 150 Euro, so etwa die Deutsche Bank, die Berenberg Bank sowie das Analysehaus Jefferies. Sie alle raten zum Kauf der Airbus Aktie.

Boeing Aktie: Trotz Risiken ein Kauf?

Ebenfalls recht optimistisch positionierten sich einige Analysten mit Blick auf die Boeing Aktie. Der Kurs hat seit Jahresanfang rund ein Viertel verloren auf zuletzt knapp 140 Dollar. Experten von JP Morgan sehen das Kursziel dennoch aktuell bei 190 Dollar, die kanadische Bank RBC legt mit Kursziel 220 Dollar sogar noch eine Schippe drauf.

Trotz der Risiken im Bereich der zivilen Luftfahrt und der angespannten Lage bei den globalen Lieferketten profitieren sowohl Airbus als auch Boeing vom Rüstungsgeschäft. Weil die Nato angekündigt hat, ihre Streitkräfte angesichts der neuen Bedrohung aus Russland zu stärken, können sich Airbus und Boeing in diesem Bereich auf lukrative Aufträge einstellen.