Japan-Aktien – Vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan
Der japanische Aktienmarkt hat in den letzten Jahrzehnten international selten von sich reden gemacht. Die Kursentwicklung war meistens schlechter als an anderen Weltbörsen, und auch die Konjunktur vollführte keine großen Sprünge. Aber das hat sich in diesem Jahr komplett geändert.
Nur der Nasdaq 100 hat stärker zugelegt als der Nikkei 225
Welcher breite Aktienindex hat im bisherigen Jahresverlauf am meisten zugelegt? Die wenigsten Anleger werden vermutlich auf den Nikkei 225 tippen. Er hat jedoch mit über einem Viertel den größten Kurszuwachs verzeichnet und mit rund 32.500 Punkten das höchste Niveau seit Mitte 1990 erklommen.
Und trotzdem ist er noch meilenweit vom Allzeithoch von 38.915 Zählern entfernt. Das wurde Ende 1989 nach einer beispiellosen Hausse erreicht. Damals überstieg der Börsenwert aller japanischen Aktien sogar den aller US-Titel. Von den großen Indizes ist 2023 nur der Nasdaq 100 noch erfolgreicher – doch der ist ja nicht breit aufgestellt sondern vorwiegend mit Tech-Titeln bestückt.
Aktuell summiert sich das Plus des japanischen Leitindex in diesem Jahr auf gut 26%. Der Nasdaq 100 hat zwar dank Highflyern wie Nvidia und Apple mit 34% klar die Nase vorn, aber im Zwölfmonatsvergleich kommt selbst er mit plus 15,5% nicht am Nikkei vorbei, der um 16,5% höher steht als Anfang Juni 2022. Warum aber sind die Anleger plötzlich so wild auf japanische Aktien, nachdem sie das Land der aufgehenden Sonne so lange Zeit links liegen gelassen haben?
Japanische Wirtschaft wächst stärker als die deutsche
Da ist zunächst einmal eine unerwartet starke Erholung der Konjunktur. Nach der Mini-Rezession im zweiten Halbjahr 2022 ist Japans Wirtschaft im ersten Quartal 2023 mit einer Jahresrate von 1,6% gewachsen. Das ist eine deutlich stärkere Expansion als in anderen großen Industriestaaten wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien.
Als Konjunktur- und Kurstreiber stellt sich dabei immer mehr der private Konsum heraus, der seit Beginn der 1990er Jahre praktisch nie mehr so richtig auf die Beine gekommen war. Er war ein Opfer der deflationären Tendenzen im Land, also immer wieder fallenden Preise, die auch die Löhne und wegen der anhaltenden Nullzinspolitik die Kapitaleinkünfte nach unten gedrückt haben.
Inzwischen aber scheint die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt der Deflation entronnen zu sein. Die Inflationserwartungen haben im März mit 2,8% ihren höchsten Stand seit Jahrzehnten erreicht. Das ist mit ein Grund dafür, dass die Zuversicht nicht nur der Verbraucher, sondern auch der Unternehmen stark zugenommen hat. Sie können auch im Inland Preiserhöhungen besser durchdrücken.
Der Einkaufsmanagerindex ist im Mai mit 54,3 Punkten denn auch so hoch ausgefallen wie noch nie. Und die Unternehmensgewinne klettern kräftig. Das spüren Anleger an steigenden Dividenden und zunehmenden Aktien-Rückkäufen.
Geldpolitische Wende hilft dem Yen
Ein weiterer Motor des Kursaufschwungs ist die Geldpolitik. Der neue Notenbankchef Kazuo Ueda hat angekündigt, die extrem expansive Zins- und Geldmengenpolitik der letzten Jahre zu überprüfen und eventuell zu korrigieren. Das könnte bedeuten, dass die Zinsen für 10-jährige japanische Staatsanleihen, die von der Notenbank mit massiven Interventionen immer noch unter 0,5% gehalten werden, deutlich klettern.
Und das wiederum würde den Yen erheblich stärken. Er war bis März deutlich gefallen, hat sich seither aber in Erwartung einer geldpolitischen Wende gegenüber dem US-Dollar um 7% erholt. Anleger aus dem Ausland haben damit in den letzten Monaten mit Japan-Aktien doppelt verdient – an den Aktien- und an den Devisenkursen.
Warren Buffet hält viel von Japan-Aktien
Immer mehr internationale Anleger springen deshalb auf den schnell fahrenden Tokioter Kurszug auf. Schon länger an Bord ist Warren Buffet. Der legendäre Investor ist bereits 2020 bei fünf Aktien großer Handelshäuser wie Mitsubishi und Marubeni eingestiegen und hat jüngst durchblicken lassen, dass er an weiteren Aktien aus dem Nikkei 225 interessiert ist. Dabei hält er in Japan schon mehr Anteilsscheine als in jedem anderen Land außerhalb der USA.