Hermès: Aktie und beliebtestes Produkt haben viel gemein
Sagt Ihnen der Name Birkin-Bag etwas? Das exklusive Stück ist benannt nach der britischen Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin, die im Paris der 1970er-Jahre zur Stil-Ikone wurde. Das lasziv gehauchte Duett „Je t’aime“, das sie zusammen mit ihrem Partner Serge Gainsbourg aufnahm, haben Sie vielleicht noch im Ohr. Auf einem Flug nach London soll Birkin sich ausgerechnet bei Hermès-Chef Jean-Louis Dumas beklagt haben über den Platzmangel in deren bislang beliebtestem Handtaschen-Modell.
Er entwarf ihr dafür eine geräumige Tasche, die Birkin Zeit ihres Lebens gerne trug, bis zum Rand vollstopfte und mit allerlei Klimperkram behängte. In der ihr eigenen Weise integrierte sie die Birkin-Bag in den für sie so typischen, zwanglosen Stilmix. Sie kreierte damit eine Nachfrage, die seit den 70er-Jahren anhält.
Exklusivität als Geschäftsmodell
Noch heute ist die Birkin-Bag ein Verkaufsschlager des Luxus-Konzerns Hermès. Vier bis fünf Jahre müssen Kundinnen darauf warten und 20.000 bis 30.000 Euro durchschnittlich dafür hinblättern. Beim Auktionshaus Sotheby’s finden Sie aber auch gebrauchte Exemplare, die mehr als 450.000 US-Dollar kosten.
Warum schreibe ich Ihnen in einem Börsen-Newsletter so viel über eine einzige hoffnungslos überteuerte Tasche? Weil sie viel verrät über den Charakter des börsennotierten Luxus-Konzerns Hermès. Oberstes Prinzip ist dort Exklusivität. Birkin-Bags können Sie nicht einfach in einem Flagship-Store kaufen, selbst wenn Sie solche Summen bereitwillig ausgeben würden. Birkin-Bags werden überhaupt nur ausgewählten Kunden im privaten Umfeld angeboten und verkauft. Das sagt viel aus über das Geschäftsmodell von Hermès.
Handwerk und Luxus als oberstes Prinzip
Das Unternehmen wirbt noch heute damit, einst als Sattlerei gegründet worden zu sein. Es legt Wert auf hohe handwerkliche Standards. Anders als bei anderen Luxus-Konzernen finden sich dort nicht unzählige Marken unter dem Dach eines einzigen Unternehmens – sondern im Wesentlichen die Marke „Hermès“. Unter dieser Marke werden Kleidungsstücke, Damen- und Herrenschuhe, Taschen, Gürtel, Schmuck, Parfums und Seidentücher verkauft. Letztere haben durch die aufgedruckte Ankerkette, die für Hermès so stilbildend ist, einen hohen Wiedererkennungswert.
Hermès ist besser durch die jüngste Krise der Luxus-Branche gekommen als seine Wettbewerber. Manche meinen, das liege daran, dass das Unternehmen seiner Marke treu geblieben sei. Es mache eben keine Kompromisse in Bezug auf seine Qualitätsansprüche und Käuferschicht. Natürlich kosten Hermès-Seidentücher und Gürtel keine fünf- bis sechsstelligen Summen. Aber sie befinden sich auch nicht auf dem Wühltisch diverser Mittelklasse-Kaufhäuser.
Hermès-Aktie: Immer noch ambitioniert bewertet
Die Birkin-Bag ist inzwischen zum Spekulationsobjekt geworden. Investoren kaufen das begehrte Stück gebraucht und setzen auf weitere Preissteigerungen. Das treibt das Ansehen der Marke Hermès in weitere Höhen.
Werfen wir noch kurz einen Blick auf die Aktie. Auf der Grundlage des letztjährigen Gewinns und des aktuellen Kurses ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von knapp 50. Und das, obwohl der Kurs derzeit rund 20 Prozent unter dem Höchststand vom vergangenen Jahr liegt. Das ist aus meiner Sicht immer noch sehr ambitioniert.
Mein Fazit: Fundamental noch immer zu teuer
Auf der Suche nach Aktien, die aktuell für einen antizyklischer Einstieg in die gebeutelte Luxus-Branche infrage kommen, rangiert Hermès nicht unter meinen Top-Favoriten. Es ist im Prinzip ähnlich wie bei der Birkin-Bag: Der Preis ist übertrieben hoch.
Auf die Hermès-Aktie müssen Sie zwar nicht warten wie auf eine Birkin-Bag; Sie könnten sie sofort kaufen. Aber ob Sie dafür zeitnah mit einem weiteren nachhaltigen Preisanstieg belohnt werden, ist fraglich.