Gewinnrausch mit Dellen: Neue RWE-Zahlen für Sie im Check!
Haben Sie sich schon die vorläufigen Zahlen von RWE für 2022 angeschaut? Tatsächlich hat der Energiekonzern wieder einmal sehr gut abgeliefert, auch wenn es den einen oder anderen Wermutstropfen gibt.
Schauen Sie: RWE hatte im letzten Jahr mehrfach seine Gewinnprognose nach oben geschraubt. Kein Wunder, profitierte der Essener Gigant doch von den hohen Preisen für Strom und Energierohstoffe.
RWE übertrifft 2022 eigene Gewinnerwartungen deutlich
Was RWE aber vor wenigen Tagen vorlegte, war noch besser. So stieg das Betriebsergebnis (bereinigtes EBITDA) in 2022 laut vorläufigen Zahlen konzernweit gegenüber dem Vorjahr um rund 73 Prozent auf 6,31 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Energiekonzern hatte im Rahmen seiner letzten Prognosesteigerung hier einen Wert zwischen 5 und 5,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Ähnlich sieht das Ganze beim Überschuss aus. Das bereinigte Nettoergebnis in 2022 lag bei 3,2 Milliarden Euro nach 1,5 Milliarden im Vorjahr. Auch hier übertraf RWE die eigene Prognosespanne (2,1 bis 2,6 Milliarden) deutlich.
Wasser/Biomasse/Gas und Energiehandel als Profittreiber
Hauptverantwortlich für den beachtlichen Profitschub war das Segment „Wasser/Biomasse/Gas“. Hier ist die Stromerzeugung mit Laufwasser-, Pumpspeicher-, Biomasse- und Gaskraftwerken gebündelt. Die Sparte erzielte in 2022 laut vorläufigen Zahlen ein bereinigtes EBITDA von rund 2,37 Milliarden Euro. Hier hatte RWE 1,4 bis 1,7 Milliarden prognostiziert. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Betriebsergebnis des Konzernbereichs um satte 224 Prozent.
Dies lag insbesondere an höheren Erträgen aus dem kurzfristigen Kraftwerkseinsatz und höheren internationalen Erzeugungsmargen. Zudem kamen die entsprechenden Kraftwerke wegen der ungünstigen Windverhältnisse am Jahresende verstärkt zum Einsatz. Dazu aber gleich mehr.
Zunächst: Aufwärts ging es indes auch beim Energiehandel. Die Sparte umfasst den Handel mit energienahen Rohstoffen wie Erdgas. Das bereinigte EBITDA verbesserte sich gegenüber dem Vorjahr um 51 Prozent auf 1,16 Milliarden Euro. Nahezu alle Handelsprodukte und Regionen hätten sich äußerst stark entwickelt, so RWE mit Blick auf die hohen Preise unter anderem beim Erdgas.
Abstriche bei Kohle- und Kernkraft
Abstriche mussten die Essener hingegen beim alten Kerngeschäft machen, der Kohle- und der Atomenergie. Das Segment erzielte 2022 voraussichtlich ein bereinigtes EBITDA von 751 Millionen Euro nach 889 Millionen im Vorjahr. Der Rückgang entsprach der Prognose.
RWE begründet die Abstriche mit Kraftwerksschließungen. Auch hatte der Konzern einen Großteil der Stromproduktion der deutschen Braunkohle- und Kernkraftwerke bereits langfristig vor der aktuellen Energiekrise verkauft und profitierte deshalb nicht von den höheren Preisen.
Wind und Solar hätten besser laufen können
Dass der Profit aus Kohle- und Kernkraft rückläufig war, dürfte an der Börse verschmerzbar gewesen sein, auch weil die Tage der beiden Energieträger in Deutschland ohnehin gezählt sind. Das wirkliche Problem des vorläufigen Zahlenwerks liegt jedenfalls woanders – nämlich ausgerechnet beim neuen Steckenpferd des Konzerns: der Wind- und Solarenergie.
Im Bereich „Onshore Wind/Solar“ reichte es 2022 für ein bereinigtes EBITDA von nur 827 Millionen Euro. Das is zwar deutlich mehr als im Vorjahr (258 Mio. €). Dennoch verfehlte RWE damit seine eigene Prognose (900 bis 1.100 Mio. €). „Onshore Wind/Solar“ war damit die einzige Sparte, die mit den Erwartungen des Managements nicht mithalten konnte. RWE begründet das mit schlechteren Windbedingungen, aber auch mit einem negativen Einmaleffekt infolge des Extremwetters in Texas.
Immerhin blieb der größere Geschäftsbereich „Offshore Wind“ mit einem operativen Ergebnis von 1,41 Milliarden Euro im Rahmen der Erwartungen, konnte im Vergleich zum Vorjahr aber „nur“ um 27 Prozent zulegen.
Mein Fazit für Sie
RWE hat im letzten Jahr von den Verwerfungen am Energiemarkt und den hohen Preisen massiv profitiert. Der größte Wermutstropfen waren jedoch die Erneuerbaren Energien rund um Wind- und Solarkraft. Diese entwickelten sich im Großen und Ganzen schlechter als erwartet, was die Abhängigkeit des Geschäfts von den Witterungsbedingungen untermauert.
Zugutekam dem Konzern seine breite Diversifizierung und sein umfangreiches Energieportfolio, wodurch Schwächephasen bei einzelnen Assets sehr gut kompensiert werden konnten.
Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der vor allem an der Börse für Stirnrunzeln gesorgt haben dürfte. Sie werden es schon ahnen: Es geht um die Dividende. RWE kündigte nämlich an, das Dividendenziel für 2022 bei 0,90 Euro je Aktie zu belassen – und damit auf dem Niveau von 2021. Das ist angesichts des jüngsten Profitschubs durchaus eine Enttäuschung für viele Anleger.
RWE will die Spendierhosen offenbar trotzdem im Schrank lassen. Das kann tatsächlich auch ein positives Signal sein, vor allem auf langfristige Sicht. Schauen Sie: RWE will allein in den 20er Jahren mehr als 50 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft, aber auch in Energiespeicher und in Wasserstoff investieren.
Das ist mit Abstand das wichtigste Wachstumsfeld des Konzerns und dessen Aktie. Sollte das Geld, das der Konzern etwa durch eine Vermeidung der Dividendenerhöhung einspart, diesem ambitionierten Ziel zugutekommen, wäre das mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit gar nicht mal so schlecht.
Die RWE-Aktie ist und bleibt meiner Meinung nach ein Investment mit Renditepotenzial, auch weil das Papier im letzten Jahr bei weitem nicht so stark zulegen konnte wie der Konzernprofit. Interessant ist die Aktie aber vor allem wegen der Erneuerbaren Energien. RWE ist hervorragend aufgestellt, um sich als weltweit führender Player im Bereich Windkraft langfristig zu etablieren. Mit ausreichend Geduld kann Ihnen die Aktie also nachhaltige Gewinne bescheren.
RWE will übrigens am 21. März 2023 seine endgültigen Zahlen zum Geschäftsjahr 2022 präsentieren. Spätestens dann dürfte es auch eine stichhaltige Prognose zu 2023 geben.