Ankerkraut: Risiken und Nebenwirkungen von Social-Media-Marketing

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Mit der Werbung in den sozialen Medien ist es so eine Sache. Gerade wenn es nicht um klassische Anzeigenschaltungen geht, sondern um direkte Kooperationen zwischen Unternehmen und sogenannten Influencern, also Kanälen mit hoher Reichweite, die von Einzelpersonen oder kleinen individuellen Gruppen betrieben werden und eine große Followerschaft vorweisen können.

Influencer als Werbegesicht: Besonders für Start-ups attraktiv

In der jüngeren Zielgruppe sind Influencer beliebt, die Internetpersönlichkeiten genießen bei ihren Anhängern nicht nur ein hohes Ansehen, sondern auch ein gewisses Vertrauen. Wenn nun also der Lieblings-Influencer höchstpersönlich Werbung macht für ein Unternehmen, hinter dem er steht und dessen Produkte er selbst verwendet, könnte die Werbebotschaft kaum persönlicher platziert sein.

Deswegen sind Partnerschaften mit Influencern im Werbemarkt immer beliebter und gewinnen zunehmend an Relevanz. Das gilt insbesondere für kleine, unabhängige Start-ups mit begrenztem Werbebudget und zunächst geringem Bekanntheitsgrad.

Nestle steigt bei Ankerkraut ein – Netzgemeinde reagiert entsetzt

Ein Beispiel, das gerade für Schlagzeilen sorgt, ist die Hamburger Firma Ankerkraut. Das Start-up wurde vor knapp zehn Jahren gegründet und verdient sein Geld mit dem Verkauf von Gewürzmischungen. Zu größerer Bekanntheit gereichte dem Unternehmen ein Auftritt in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ des Fernsehsenders Vox, in der sich junge Unternehmen präsentieren und um Investoren werben.

Für Ankerkraut lief es danach immer besser, doch vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ein neuer Großaktionär bei der Kräuterfirma eingestiegen ist: Nestle, der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern mit Hauptsitz in der Schweiz.

Pakt mit dem Teufel: Influencer beenden Werbedeals mit Ankerkraut

Aus Unternehmersicht ein starker Partner, der bei der Expansion auch jenseits des deutschen Marktes extrem hilfreich sein dürfte. Doch seit Bekanntwerden der Kooperation zeigt sich die Kehrseite der Influencer-Werbung: Sind die Werbegesichter mit einer Entscheidung der Geschäftsleitung nicht einverstanden, kann die Stimmung sehr schnell kippen, Sympathie in Antipathie umschlagen und einstige Werbeträger zu erklärten Gegnern der Firma werden.

So geschehen bei Ankerkraut: Weil Großinvestor Nestle in weiten Teilen der auf Social Media vertretenen „Netzgemeinde“ einen miserablen Ruf hat, gerät nun auch der Hamburger Kräuterhändler unter Druck. Zahlreiche Influencer kündigten nach Bekanntwerden des Nestle-Einstiegs an, ihre Zusammenarbeit mit Ankerkraut zu beenden. Einige bedauerten dies und beteuerten, dass sie die Produkte für gut und die Firma – zumindest vor der Kooperation – für sympathisch hielten.

Idealistische Influencer: Nicht nur Produkte, sondern Werte vermarkten

Doch weil Nestle als Weltkonzern im Verdacht steht, Menschen und Rohstoffe auszubeuten und für künstliche Wasserverknappung in einigen Regionen der Welt verantwortlich zu sein, steht das Schweizer Unternehmen aus Sicht der besagten Influencer praktisch auf der Seite des Bösen. Wer den Pakt mit dem Teufel eingeht, hat seine Seele verkauft: Rein wirtschaftliches Gewinnstreben ist vielen idealistisch auftretenden Influencern zuwider, sie wollen neben Produkten auch Werte vertreten und sehen dies durch eine Zusammenarbeit mit Konzernen wie Nestle nicht mehr als gewährleistet an. Die breitangelegte Influencer-Werbekampagne wird über Nacht zum Shitstorm.

Gemäß der alten Werbeweisheit, wonach auch schlechte Presse gute Presse ist, lässt sich jedoch zumindest eines festhalten: Dank des Shitstorms und der breitflächigen Berichterstattung darüber in den etablierten Medien dürfte sich der Bekanntheitsgrad der Marke Ankerkraut seither deutlich erhöht haben.