Dicke Überraschung – Gewinne gestiegen

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Eine Zeitlang sah es so aus, als würden die deutlichen Kursgewinne europäischer Aktien seit dem Jahresbeginn nur ungenügend durch die Ertragsentwicklung der Unternehmen unterfüttert. Aber das hat sich rapide  geändert und schafft Raum für weitere Kurssteigerungen.

Aus Minus 3 Prozent wurden plus 7 Prozent

Seit Jahresbeginn hat der breite europäische Aktienindex Stoxx 600 Europe um rund 10% zugelegt. Und das, obwohl die Ertragsprognosen der Analysten für das erste Quartal 2023 und auch die ersten Ergebnisse für die ersten drei Monate zeitweise sogar rückläufige Unternehmensgewinne signalisiert hatten. Nahezu den gesamten April über waren die wöchentlich veröffentlichten Ertragsschätzungen, die von Refinitiv I/B/E/S gesammelt und ausgewertet werden, im roten Bereich.

Aber seit der Studie vom 25. April, als die Analysten im Durchschnitt noch ein Minus von knapp 3% bei den Quartalsergebnissen geschätzt hatten, geht es steil bergauf mit den Gewinnprognosen.

Der Grund liegt auf der Hand: Die tatsächlichen Gewinne vieler Aktiengesellschaften fürs erste Quartal 2023 sind  weitaus höher ausgefallen als erwartet. Bei der I/B/E/S-Auswertung vom 9. Mai, als mehr als ein Drittel der 600 Unternehmen des Stoxx 600 ihre Zahlen präsentiert hatte, wurde deshalb aus dem Minus ein dickes Plus von 6,7%. Mit anderen Worten: Die Gewinne fallen voraussichtlich um fast 10 Prozent besser aus als noch vor drei Wochen erwartet worden war.

Zwei Drittel der Unternehmen überraschten positiv

Ohne den Energiesektor, der nach dem Ertragsboom 2022 im ersten Quartal 2023 den Rückwärtsgang eingelegt hat, schätzten die Analysten nun sogar einen Zuwachs um 9,4%. Über 66% aller Unternehmen, die bis zum 9. Mai Gewinne gemeldet hatten, konnten die Prognosen übertreffen, zum Teil sogar deutlich. Im Durchschnitt schlagen dagegen „nur“ 53% der 600 Aktiengesellschaften die Analysten-Schätzungen.

Die Fülle der Ergebnismeldungen, die in den letzten Tagen hinzugekommen sind,   hat mehrheitlich ebenfalls positiv überrascht. Deswegen erscheint durchaus ein noch höheres Wachstum der Gewinne möglich als die 6,7% des Konsenses vom Wochenbeginn.

Die meisten Unternehmen konnten anscheinend die Belastungen durch eine müde Konjunktur, einen schwachen Dollar (dessen Stärke 2022 noch viel zum Ertragsboom der Europäer beigetragen hatte), höhere Finanzierungskosten und steigende Lohnaufwendungen verkraften – indem sie ihre Verkaufspreise stärker anheben konnten als sich die Kosten verteuert haben. Das ifo-Institut nennt dieses Phänomen „Gewinninflation“ und hat dazu eine Studie veröffentlicht.  Natürlich haben auch die nachgebenden Energie- und Rohstoffpreise ihren Teil zu den positiven Ertragsüberraschungen beigetragen.

Aktienbewertung – deutlich unter langfristigem Schnitt

So gut die Zahlen fürs erste Quartal ausgefallen sind, haben sie doch die Vorsicht der Analysten für den Rest des Jahres nicht ganz ausräumen können. Für das zweite Vierteljahr 2023 erwarten sie im Durchschnitt ein Ertragsminus von 4,4% und  im dritten Quartal von minus 2,9%. Im Schlussquartal soll es dann wieder ein kleines Plus von 2,8% Wachstum geben. Für das gesamte Kalenderjahr 2023 ist durch die starke Vorstellung der ersten drei Monate immerhin aus einem Minus ein Plus von 0,7% Gewinnzuwachs entstanden. Durch die überraschend starke Ertragslage des ersten Quartals hat sich die der Bewertung der europäischen Aktien einiges getan. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV hat sich trotz der gestiegenen Notierungen für die nächsten 12 Monate auf 12,9 verbilligt. Das ist deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt, der laut I/B/E/S für den Stoxx 600 Europe bei einem KGV von 14,4 gelegen hat. Rein aus Bewertungssicht haben also europäische Aktien durchaus noch Luft nach oben.