Wirecard Skandal vergrault Privatanleger

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Das gab es noch nie in der inzwischen mehr als 30-jährigen Geschichte des Dax: Im deutschen Leitindex ist ein Unternehmen gelistet, das de facto pleite ist. Wirecard hat in der vergangenen Woche angekündigt, einen Insolvenzantrag zu stellen.

Damit zieht das Unternehmen die Konsequenz aus den vorangegangenen Skandalen, der nicht vorhandenen Geschäftsbilanz 2019, den inzwischen fast legendären, wahrscheinlich nie existierenden 1,9 Milliarden Euro und dem daraus resultierenden Absturz der Wirecard Aktie.

Ex-Vorstand Marsalek im Ausland abgetaucht

Innerhalb weniger Tage rauschte der Aktienkurs des Unternehmens von mehr als 100 auf unter 2 Euro, nachdem die Wirtschaftsprüfer von EY die Freigabe der Bilanz für 2019 verweigerten. Die Führungsriege trat zurück und wurde anschließend per Haftbefehl gesucht. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat sich kurz darauf der Polizei gestellt und wurde gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt.

Jan Marsalek, ebenfalls ehemaliges Vorstandsmitglied bei Wirecard und gleichermaßen mit Haftbefehl gesucht, hat sich unterdessen offenbar ins Ausland abgesetzt und beabsichtigt allem Anschein nach nicht, sich den Behörden zu stellen. Er wird auf den Philippinen vermutet.

Was geschieht mit der Wirecard Aktie?

In Frankfurt steht nun die Börse unter Handlungsdruck. Turnusmäßig wird die Zusammensetzung des Dax erst im September wieder geprüft, solange würde die Wirecard Aktie nun eigentlich noch als Karteileiche mitschwimmen. Allerdings mehren sich die Stimmen, die es für untragbar halten, ein insolventes Unternehmen noch monatelang im wichtigsten deutschen Aktienindex mitzuschleifen, dessen Rauswurf bereits jetzt feststeht. Hier sind nun Flexibilität und ein Abweichen von gewohnten Routinen gefragt.

Der Schaden, den der Wirecard-Skandal anrichtet, ist aber noch aus anderen Gründen immens. Wirecard war nicht irgendein Unternehmen. In einer stark auf traditionelle Industriezweige ausgerichteten deutschen Wirtschaftslandschaft war Wirecard ein interessanter Gegenpol, ein international agierendes Digitalunternehmen mit eigentlich zukunftsweisendem Geschäftsmodell.

Die virtuelle Zahlungsabwicklung wird zweifelsohne in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Ein deutsches Unternehmen, das hier zu den weltweiten Marktführern gehört, wäre ganz im Sinne der Digitalisierungsambitionen der deutschen Politik gewesen.

Privatanleger abgeschreckt

Auch Anleger hatten sich auf die Wirecard Aktie gestürzt wie einst auf die Papiere der New Economy. Gerade bei Privatanlegern war die Aktie beliebt, der jüngste Skandal hat nun Milliardenwerte pulverisiert, die zu nicht unerheblichen Teilen einer privaten Altersvorsorge dienen sollten.

Private Altersvorsorge wird immer wichtiger in Zeiten, da das staatlich garantierte Rentenniveau absinkt und die bald in den Ruhestand wechselnde Babyboomer-Generation einer vergleichsweisen geringen Anzahl von Einzahlern ins System gegenüberstehen. Das Rentensystem steht vor einer harten Belastungsprobe, da es mehr Rentner als junge Arbeitnehmer gibt, dieser Trend wird sich künftig noch verschärfen.

Für eine private Altersvorsorge aber stehen neben Aktien kaum Alternativen zur Verfügung. Das anhaltend niedrige Zinsniveau macht Sparkonten oder Staatsanleihen unattraktiv, hier wird Kapital vernichtet, indem nicht einmal das Inflationsniveau ausgeglichen werden kann.

Den Griff zur Aktie aber, den in den vergangenen Jahren wieder mehr Privatanleger gewagt haben, dürften viele nunmehr scheuen: Der Wirecard-Skandal stellt nicht zuletzt die Wirkungsmechanismen anerkannter Prüfinstanzen infrage, und etliche andere Dax-Konzerne ächzen derweil unter den Folgen der Corona-Pandemie.

Für Privatanleger sind dies wahrlich schwierige Zeiten.