Verblüffendes Urteil für Wirecard-Aktionäre

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Gut 50.000 ehemalige Aktionäre können nach der Pleite des betrügerischen Zahlungsdienstleisters Wirecard auf eine Entschädigung hoffen. Ich selbst habe Wirecard niemals empfohlen; das Unternehmen hat gegenüber Analysten keinen Wert auf Transparenz gelegt (rückblickend verständlich, da viele Umsätze und Gewinne offensichtlich „erfunden“ waren).

Aber als ich von dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts München las, war ich doch verblüfft. Denn: Normalerweise gehen die Aktionäre in einem solchen Fall leer aus.

Warum schreibe ich Ihnen jetzt davon? Weil in diesem Fall der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital eine wesentliche Rolle spielt. Auch für Sie als Aktionär ist es gut, wenn Sie den Unterschied kennen.

Aktien sind Eigenkapital, Anleihen Fremdkapital

Als Investor haben Sie zwei Möglichkeiten, einer Aktiengesellschaft Geld zu geben:

  1. Sie können einen Anteil davon kaufen. Dieser Anteil nennt sich schlicht Aktie. Geld, das bei der Emission (Herausgabe) Aktien in ein Unternehmen eingebracht wird, ist Eigenkapital. Es gehört dem Unternehmen, und dafür besteht keine Rückzahlungsverpflichtung, wohl aber die Hoffnung darauf, dass das betreffende Unternehmen mit diesem Kapital Gewinne erwirtschaftet.
  2. Sie können dem Unternehmen Geld leihen. Dazu kaufen Sie seine Anleihen. Diese geben Ihnen den Anspruch auf Zinsen während der gesamten Laufzeit. Und selbstverständlich verspricht Ihnen das Unternehmen auch die Rückzahlung Ihres Geldes zum Zeitpunkt der Fälligkeit.

Im Insolvenzfall hat Fremdkapital normalerweise Vorrang

Der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital ist für Unternehmen wesentlich. Die Verpflichtung, Fremdkapital zurückzuzahlen (Anleihen, aber auch Bank- und Lieferantenkredite), macht ein Unternehmen abhängig von seinen Geldgebern. Wehe, wenn nicht genügend Kapital da ist, um fällige Anleihen oder Kredite zu tilgen und die Rechnungen der Lieferanten zu bezahlen. Das kann die Handlungsfähigkeit der Vorstandsebene empfindlich einschränken.

Bei Eigenkapital ist das anders. Da hat die Unternehmensführung mehr Handlungsspielraum. Schon im eigenen Interesse wird sie trotzdem bemüht sein, möglichst gute Gewinne zu erwirtschaften. Die Aktionäre profitieren dann von einem steigenden Anteilswert und von einer Gewinnausschüttung in Form von Dividenden.

Achten Sie daher bei einem Investment stets auf die Fremdkapitalquote, also den Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital des Unternehmens (Eigen- plus Fremdkapital). Je niedriger sie ist, desto solider steht das Unternehmen da, so lautet der Grundsatz, auch wenn es da Ausnahmen gibt. Etwa Banken und Versicherungen, deren Geschäftsmodell darin besteht, mit fremdem Geld zu arbeiten.

Wichtig für Sie: Bei Insolvenz hat Fremdkapital normalerweise Vorrang

Kommen wir zurück zum Fall Wirecard und warum das Oberlandesgerichts-Urteil mich so verblüfft hat. Grob gesagt wird bei einer Insolvenz das noch übrige Restvermögen auf die Gläubiger verteilt. Bevorzugt werden allerdings die Fremdkapitalgeber. Nur falls alle ihr verliehenes Geld vollständig zurückbekommen haben, gibt es auch eine Entschädigung für Eigenkapitalgeber, sprich Aktionäre.

Sie ahnen es schon: In der Praxis ist das so gut wie nie der Fall. Jetzt aber entschied das OLG München, aufgrund der betrügerischen Machenschaften von Wirecard müssten die Aktionäre den Gläubigern gleichgestellt werden. Das wäre ein absolutes Novum im Insolvenzrecht. Ich habe allerdings gewisse Zweifel, dass es am Ende dabei bleibt. Der Insolvenzverwalter ist in Berufung gegangen; letztlich muss der Bundesgerichtshof entscheiden.

Mein Rat an Sie: Handeln Sie wie ein Unternehmer

Als Aktionär haben Sie Unternehmensanteile in Ihrem Depot liegen. Deshalb ist es sinnvoll, wenn Sie sich selbst auch als Unternehmer betrachten. Kaufen Sie Ihre Aktien mit Verantwortung und informieren Sie sich umfassend. In meinen Börsendiensten finden Sie die nötigen Hintergrundinfos. Damit gelingt es Ihnen, eine saubere Einschätzung potenziell gewinnbringender Aktiengesellschaften vorzunehmen.