Volkswagen steht die schwierigste Tarifrunde seit Langem bevor

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Tarifverhandlungen sind fast immer unruhige Zeiten. Doch die vorgezogenen Gespräche, die die Arbeitnehmervertreter in dieser Woche mit dem Volkswagen-Konzern aufgenommen haben, stehen unter einem besonders düsteren Stern.

VW kündigt jahrzehntelange Jobgarantie auf

Vorausgegangen sind turbulente Tage: Anfang des Monats hatte Volkswagen einseitig die seit rund 3 Jahrzehnten bestehende Beschäftigungssicherung aufgekündigt, die eigentlich eine Jobgarantie bis 2029 vorgesehen hatte. Begründet wurde dies mit schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Notwendigkeit, den Konzern neu aufzustellen. Selbst Werksschließungen schließt der zweitgrößte Autobauer der Welt nicht aus. Um die Sparpläne umzusetzen, verlangt die Konzernspitze zudem Zugeständnisse auch von Seiten der Arbeitnehmer.

Kurzum: VW ist im Krisenmodus und die Gewerkschaftsseite in höchstem Maße alarmiert. Über Massenentlassungen oder Standortschließungen sei mit der IG Metall nicht zu verhandeln, hieß es zum Auftakt der Gespräche. Während VW für Einsparungen wirbt und dabei auch Gehaltskürzungen offenbar nicht ausschließt, verlangen die Arbeitnehmervertreter ein Lohnplus von 7 Prozent.

Beschäftigungssicherung wichtiger als Lohnplus?

Notwendige Einsparungen sollten stattdessen „oben“ angesetzt werden. Anders ausgedrückt: Solange die Vorstände Jahr für Jahr Millionengehälter einstreichen, ist man zu Zugeständnissen auf Arbeitnehmerseite beim Gehalt nicht bereit. Vor allem eine offenbar drohende Minusrunde werden die Verhandlungsführer von IG Metall und VW-Betriebsrat um jeden Preis verhindern wollen.

Wichtiger als steigende Gehälter ist aus Sicht vieler Beschäftigter jedoch die Beschäftigungssicherung. Jahrzehntelang konnten sie sich darauf verlassen, dass VW als verlässlicher Arbeitgeber ihre Jobs garantiert und auch schwere Zeiten gemeinsam mit der Belegschaft durchsteht. Diese Gewissheit hat mit der einseitigen Aufkündigung der Beschäftigungssicherung durch den Konzern nun ein ebenso abruptes wie überraschendes Ende genommen – und die Region rund um den Konzernhauptsitz Wolfsburg in Angst und Schrecken versetzt.

Großregion Wolfsburg macht sich Sorgen

Als größter Arbeitgeber der Region hängen tausende Arbeitsplätze direkt oder auch indirekt am Volkswagen-Konzern. Von Unternehmensseite heißt es, man müsse wettbewerbsfähig bleiben. Dass Deutschland mit seinen hohen Sozialabgaben, einem vergleichsweise hohen Lohnniveau und starker Arbeitnehmervertretung vielen Konzernen als zu teurer Produktionsstandort erscheint, ist nichts Neues. Dass mit Volkswagen einer der traditionsreichsten Großkonzerne des Landes nun in dieses Horn bläst, ist für die vielen Arbeitnehmer ein Schlag ins Gesicht.

Die Auseinandersetzung zwischen Konzern und Gewerkschaften steht gerade erst am Anfang. Ab dem 1. Dezember seien auch großflächige Warnstreiks möglich, wie die IG Metall bereits vorsorglich ankündigte. Dass es dazu kommt, ist – Stand heute – wohl ziemlich wahrscheinlich, denn die Positionen beider Seiten liegen derart weit auseinander, dass es kaum realistisch erscheint, innerhalb weniger Wochen zu tragfähigen Kompromissen zu gelangen.

Dividende kürzen statt Stellen streichen?

Einsparpotenzial sieht die Gewerkschaftsseite zudem auch bei den Aktionären: Die hätten sich zuletzt über üppige Dividendenzahlungen freuen dürfen. Hier gebe es aus Sicht der IG Metall „Spielräume“. Tatsächlich zahlte der Konzern seinen Anteilseignern zuletzt rund 9 Euro je Aktie aus.

Im Verlauf des Septembers hatte die VW Aktie zunächst einen heftigen Kursrutsch erlebt, zeitweise notierte das Papier bei unter 90 Euro. In den vergangenen Tagen konnte der Kurs jedoch wieder Boden gutmachen und näherte sich den 95 Euro an. Auf Wochensicht verbucht die VW Aktie ein Plus von fast 4 Prozent.

VW Aktie: Analysten korrigieren Kursziele nach unten

Einige Analysten hatten ihre Kursziele angesichts der aktuellen Krise beim VW-Konzern nach unten korrigiert. So hat etwa die private Berenberg Bank das Kursziel von 125 auf 120 Euro abgesenkt, die Kaufempfehlung für die VW Aktie jedoch beibehalten. Die britische Barclays Bank hat erst kürzlich nachgezogen und trotz bestätigter Kaufempfehlung das Kursziel noch drastischer abgesenkt von 125 auf nur noch 110 Euro. Die Schweizer UBS rät nach wie vor zum Verkauf des Papiers und reduzierte das Kursziel zuletzt deutlich von 100 auf 84 Euro.

Die aktuellen Probleme bei Volkswagen sind symptomatisch für eine umfassendere Krise der gesamten Automobilbranche in Deutschland. Die Hersteller haben die Transformation hin zur Elektromobilität zu lang verschlafen. Inzwischen drängen Konkurrenten auf den hiesigen Markt. Immer häufiger prägen Fahrzeuge des US-Elektroautopioniers Tesla auch hierzulande das Straßenbild. Einige asiatische Hersteller, wie etwa der chinesische Konzern BYD, findet in Deutschland ebenfalls interessierte Käufer. Die Elektromodelle, die VW, BMW und Mercedes-Benz vor einigen Jahren auf den Markt gebracht haben, fristen demgegenüber noch immer häufig ein Dasein als ewige Ladenhüter.

Das lange Zögern rächt sich nun umso härter – und womöglich auf Kosten der Belegschaften. In Wolfsburg stehen turbulente Wochen und Monate bevor, mit bislang völlig ungewissem Ausgang.