Verkehrswende: Deutschland gerät aus dem Takt

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Wer auf eine rasche Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes gehofft hatte, dürfte dieser Tage gleich mehrfach enttäuscht sein. Drei wesentliche Elemente wurden zuletzt erheblich ausgebremst.

49-Euro-Ticket: Weder günstig noch einfach

Das 49-Euro-Ticket soll zum 1. Mai kommen. Es gilt als Nachfolger des extrem erfolgreichen 9-Euro-Tickets, das im vergangenen Sommer vor allem Pendler entlasten sollte, aber auch für viele Privatreisen genutzt wurde. Mit dem bundesweit gültigen Nahverkehrsticket zum Einheitstarif ließ es sich günstig reisen – und das, ohne zuvor die komplizierten Eigentarife der verschiedenen regionalen Verkehrsverbünde, ihre Grenz- und Übergangsgebiete studieren zu müssen.

Günstig und einfach, das waren die beiden ausschlaggebenden Erfolgsfaktoren des 9-Euro-Tickets. Beides könnte nun allerdings ausgehöhlt werden. Länder und Kommunen warnen davor, einzelne Verkehrsverbünde könnten ausscheren, sollte es von Seiten des Bundes keine verbindliche gesetzliche Regelung für das 49-Euro-Ticket geben. Außerdem kristallisiert sich zunehmend heraus, dass auch die 49 Euro im Monats-Abo lediglich als „Einstiegspreis“ zu verstehen sind – der jährlich überprüft, also: angehoben werden soll.

Deutschlandtakt verspätet sich um Jahrzehnte

Der vielbeschworene Deutschlandtakt der Bahn, der Zugfahrpläne besser aufeinander abstimmen und Bahnreisen effizienter gestalten sollte, kommt ebenfalls kaum ins Rollen. Großspurig hatte schon 2018 der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine erhebliche Verbesserung bis 2030 in Aussicht gestellt.

Nun stellte das FDP-geführte Verkehrsministerium klar: Bis zur vollständigen Umsetzung des Deutschlandtakt-Projekts wird es wohl noch sehr viel länger dauern. Konkret ist von 2070 die Rede – viele der heute Bahnfahrenden dürften das also nicht mehr erleben.

Beim Deutschlandtakt geht es unter anderem um den Ausbau von Schnellstrecken und die eng getaktete Vernetzung von Metropolregionen. Diese gelingt bisher nur zum Teil: Zwischen Köln und Frankfurt besteht eine Schnellstrecke, zwischen Köln und Paris verkehrt der französische TGV mit nur wenigen Zwischenstopps, auch Hamburg und Berlin sind recht gut angebunden. Doch in vielen Regionen hält nicht mal ein Intercity. Wer die Menschen von der Straße auf die Schiene bringen will, muss bei der Anbindung anfangen.

FDP stemmt sich gegen Verbrenner-Aus – EU-Abstimmung blockiert

Von der Straße verabschieden will man sich bei der FDP aber bekanntlich gar nicht unbedingt. Stattdessen drängt man im Verkehrsministerium weiterhin auf den priorisierten Ausbau von Autobahnen und verweist auf die Verkehrsprognosen. Richtig ist: Beides muss Hand in Hand gehen, auf lange Sicht braucht es ein sinnvolles Nebeneinander anstelle eines fundamentalen Gegeneinanders.

Einen echten Streitpunkt bringt das Ministerium unterdessen mit Blick auf einen EU-Beschluss aufs Tableau. Anders als Grüne und SPD positioniert sich die FDP gegen das von der EU geplante Verbrenner-Aus. Eigentlich sollten ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr in der EU zugelassen werden, mit der Gegenstimme der FDP aber müsste sich Deutschland bei einer Abstimmung enthalten. Dadurch wäre die notwendige qualifizierte Mehrheit gefährdet. Der EU-Ministerrat hat seine für diese Woche geplante Abstimmung deswegen auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die FDP setzt – wie auch BMW – auf synthetische Kraftstoffe und mag den Verbrenner nicht aufgeben. Andere Hersteller argumentieren jedoch dagegen: Unter anderem Audi-Chef Markus Duesmann plädierte zuletzt für mehr Planungssicherheit und warnte vor einer Hängepartie, die eine Verzögerung der EU-Beschlüsse mit sich bringen könnte.