Regierung plant Reisesicherungsfonds
Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Rahmen einer Pauschalreise entspannt am Strand und unterdessen geht Ihr Reiseveranstalter pleite. Davon wären nicht nur Sie, sondern vermutlich tausende weitere Urlauber betroffen. Was nun?
Darüber hat sich die Bundesregierung Gedanken gemacht und einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Einrichtung eines Reisesicherungsfonds für Pauschalreisen vorsieht. Dieser soll bis Ende 2026 sukzessive aufgebaut werden und insgesamt 750 Millionen Euro umfassen.
Reisebranche in beispielloser Krise
Die Regierung reagiert damit auf Erfahrungen der letzten Jahre: 2019 und somit noch vor der Pandemie war der Reiseanbieter Thomas Cook in die Pleite geschlittert. Die bisher geltende Haftungsgrenze von 110 Millionen Euro hatte damals nicht ausgereicht, der Staat war kurzfristig mit Steuergeldern in die Bresche gesprungen.
Die pandemiebedingte Schieflage von Branchengrößen wie Tui oder auch etlichen Fluggesellschaften hat wiederum mehrere staatliche Hilfsprogramme erforderlich gemacht und zudem die Insolvenzgefahr eigentlich gesunder Unternehmen durch die Folgen der Pandemie und der damit verbundenen Reisebeschränkungen deutlich sichtbar gemacht.
Bundesregierung sieht Handlungsbedarf
Nachdem die Insolvenzantragspflicht im vergangenen Jahr zeitweise ausgesetzt wurde, ist sie seit Jahresbeginn wieder in Kraft. Das Risiko, dass Reiseveranstalter Insolvenz anmelden müssen, ist nach den katastrophalen Bilanzen von 2020 und der unsicheren Perspektive für 2021 eher noch größer geworden.
Umso dringlicheren Handlungsbedarf sieht man nun in der Bundesregierung. Dem Entwurf zufolge soll sich die Haftungsgrenze von Versicherern künftig nicht mehr auf 110 Millionen Euro begrenzen, sondern stattdessen am Jahresumsatz des jeweiligen Reiseveranstalters orientieren. Angedacht ist eine Größenordnung von 22 Prozent des Jahresumsatzes.
Bessere Kundenabsicherung schon diesen Sommer?
Der Reisesicherungsfonds soll zudem vor allem die Kunden schützen. So sollen für Pauschalreisende, die sich bereits am Urlaubsort befinden, Unterkunft und Rückreise abgesichert werden. Kunden, deren Reise noch bevorsteht, die aber bereits im Voraus gezahlt haben, sollen außerdem leichter ihr Geld zurückbekommen.
Verbraucherschützer bewerten den Entwurf positiv und drücken aufs Tempo: Geht es nach ihnen, sollte die Regelung möglichst vor Beginn der Sommerreisesaison 2021 in Kraft treten, sodass Urlauber bereits in diesem Sommer abgesichert sind.
Tatsächlich räumt wohl auch die Regierung dem Thema Priorität ein. Beratungen in Kabinett und Parlament werden in den kommenden Wochen erwartet. Passiert der Entwurf die demokratischen Gremien, dürfte das Konzept im Sommer bereits greifen.
Urlaub 2021 im Zeichen der Pandemie
Dass die Anbieter die dadurch steigenden Kosten direkt an die Kunden durchreichen und Reisen dadurch substanziell teurer werden, befürchten Verbraucherschützer indes nicht. Sie verweisen auf den starken Wettbewerb in der Branche, gerade in Corona-Zeiten.
Denkbar ist außerdem, dass ohnehin höhere Preise verlangt werden, um Einnahmeausfälle des Vorjahres zu kompensieren. Andererseits sind auch Rabattaktionen denkbar, um Touristen trotz teils bestehender Reisewarnungen überhaupt zur Buchung einer Pauschalreise zu motivieren.
Fest steht schon jetzt: Auch die Tourismussaison 2021 wird maßgeblich unter dem Eindruck der Pandemie stehen. Dass die Bundesregierung nun ein Konzept auf den Weg bringt, um Kunden im Falle von insolventen Reiseveranstaltern abzusichern, ist daher ein Gebot der Stunde.
Krisenjahr 2020: Reiseunternehmen machen Milliardenverluste
Wie schlecht es um die Branche steht, war neben den Staatshilfen für Lufthansa und Tui zuletzt auch in den ersten Bilanzen abzulesen. Der irische Billigflieger Ryanair rechnet für sein im März zu Ende gehendes Geschäftsjahr mit einem Verlust von fast einer Milliarde Euro. Für Tui endete das Geschäftsjahr 2019/2020 bereits Ende September mit einem Verlust von mehr als 3 Milliarden Euro – und das obwohl die ersten fünf Monate noch ziemlich gut verlaufen waren.
2021 betrachtet man bei Tui als „Übergangsjahr“: In den ersten Monaten liegen die Reiseaktivitäten zwar weitgehend brach, doch mit zunehmender Impfdynamik steigt die Reiselust in den Sommermonaten, so die Hoffnung der Hannoveraner. Für das nachfolgende Geschäftsjahr rechnet der Konzern mit einer raschen Erholung.
Auch Anleger zeigten sich zuletzt optimistisch: Zwar notieren die Aktien von Tui und Lufthansa mit Abschlägen von 38 beziehungsweise 26 Prozent immer noch deutlich unter Vorjahresniveau, doch in den vergangenen Wochen konnten beide Papiere aufholen und legten um jeweils rund 10 Prozentpunkte zu. Die anlaufenden Impfungen und die Aussicht auf verstärkten Urlaubsbedarf im Sommer lassen also nicht nur Vorstände, sondern auch Aktionäre hoffen.
Ihre Bilanz für 2020 wird die Lufthansa voraussichtlich am 4. März vorlegen.