Trotz steigender Absatzzahlen: Autohersteller pessimistisch
- Mehr Neuzulassungen in Deutschland und Europa
- Abbau von Auftragsbeständen – bei geringen Neuaufträgen
- Auslaufende Subventionen schrecken Käufer ab
- Elektromobilität auf dem Vormarsch
- Hausgemachte Probleme bei Elektrotransformation
- Volkswagen drosselt E-Auto-Produktion – Nachfrage zu gering
- Laut Ifo-Studie: Pessimistischer Geschäftsausblick deutscher Hersteller
- Frische Quartalszahlen ab nächster Woche
Auf den ersten Blick ist es eine erfreuliche Entwicklung: Die Zahlen von neu zugelassenen Pkw sind im Juni erneut gestiegen, sowohl mit Blick auf Deutschland als auch auf den europäischen Markt insgesamt. Damit blickt die Branche auf ein erfolgreiches Halbjahr zurück: Zwar schwankten die Zahlen der Neuzulassungen von Monat zu Monat, es ging mal bergauf und mal bergab, doch unterm Strich verkauften die Hersteller deutlich mehr Fahrzeuge als noch ein Jahr zuvor.
Mehr Neuzulassungen in Deutschland und Europa
Allein in Deutschland wurden im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat fast ein Viertel mehr Fahrzeuge neu zugelassen, nämlich etwas mehr als 280.000 Stück. Auch gegenüber dem Vormonat Mai ging es damit noch einmal kräftig aufwärts: Hier beläuft sich der Zuwachs auf 13,4 Prozent. Bei der Halbjahresbilanz reicht es in der Bundesrepublik immerhin für ein Plus von knapp 13 Prozent, insgesamt wurden hier von Anfang Januar bis Ende Juni gut 1,4 Millionen Autos neu zugelassen.
Europaweit stieg die Zahl der neuzugelassenen Fahrzeuge gegenüber dem jeweiligen Vergleichszeitraum des Vorjahres im ersten Halbjahr sowie auch im Monat Juni um jeweils rund 18 Prozent.
Abbau von Auftragsbeständen – bei geringen Neuaufträgen
Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind – und der Ausblick weit weniger rosig ausfällt als der jüngste Rückblick. Denn die hohe Zahl der Neuzulassungen geht laut Branchenexperten vor allem darauf zurück, dass sich die Situation in den Lieferketten allmählich normalisiert und Auftragsbestände abgearbeitet werden können, die sich im vergangenen Jahr angestaut hatten. Bei den Auftragseingängen zeichnet sich dagegen bereits jetzt ein Rückgang ab.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Durch die hohe Inflation verunsichert, scheuen sich viele Verbraucher derzeit vor größeren Investitionen wie der Anschaffung eines Neuwagens. Zudem sind mit dem Jahreswechsel staatliche Förderprogramme für den privaten Neukauf von Elektrofahrzeugen ausgelaufen: Reine Stromer werden seither in geringerem Umfang öffentlich bezuschusst, während die Subventionierung von Plug-In-Hybriden komplett weggefallen ist. Ab September sollen auch Förderungen im gewerblichen Bereich entfallen, was den Auftragseingang aus Sicht der Hersteller zusätzlich belasten dürfte.
Auslaufende Subventionen schrecken Käufer ab
Tatsächlich machten gewerbliche Neuzulassungen im Juni in Deutschland den Löwenanteil aus: Sie stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um mehr als ein Drittel, während die privaten Neuzulassungen um lediglich gut 7 Prozent zulegen konnten.
Der Trend zur Elektromobilität setzt sich schleichend fort: Keine andere Antriebsart ist in den vergangenen Monaten so stark gewachsen. Im Juni überholten die Stromer mit 15 Prozent den Marktanteil gegenüber Dieselfahrzeugen, die noch auf 13,4 Prozent bei den Neuzulassungen kamen.
Elektromobilität auf dem Vormarsch
In Deutschland wurden im ersten Halbjahr mehr als 220.000 E-Autos neu zugelassen, was einem Anstieg um knapp 32 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Im Juni wurden fast zwei Drittel mehr Elektroautos neuzugelassen als im Vorjahresmonat, ihr Marktanteil in Deutschland stieg auf knapp 19 Prozent.
Die Verkehrswende mit dem schrittweisen Abschied vom Verbrennungsmotor wird vor allem für deutsche Hersteller zunehmend zum Problem. Denn obwohl die Modelle von Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes-Benz sich bei den Deutschen nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen, gilt das doch vor allem für das klassische Verbrennersegment.
Hausgemachte Probleme bei Elektrotransformation
Wer sich für den Kauf eines vollelektrisch betriebenen Fahrzeugs entscheidet, greift dagegen bevorzugt zu Tesla. Der US-Hersteller setzt von Beginn an konsequent auf E-Mobilität und hat gar keine Verbrenner im Programm. Die etablierten Konzerne hingegen müssen ihre bestehenden Flotten nach und nach auf Elektroantrieb umrüsten – ein Transformationsprozess mit teils harten Einschnitten.
Denn viele Hersteller nehmen im Zuge der Umstellung beliebte Modelle aus der Klein- und Kompaktklasse aus dem Programm, ohne dafür vergleichbare Elektromodelle einzuführen. Ein besonders prominentes Beispiel ist der US-Hersteller Ford, der seinen Cityflitzer Fiesta nach mehreren Jahrzehnten aus der Flotte streicht.
Volkswagen drosselt E-Auto-Produktion – Nachfrage zu gering
Doch auch Volkswagen steht vor ähnlichen Problemen. Die verfügbaren Stromer stoßen auf so geringe Resonanz, dass der Konzern kürzlich angekündigt hat, die Produktion seiner Modelle id.4 und id.7 zu drosseln – wegen zu geringer Nachfrage.
Demgegenüber verdeutlichen die jüngsten Zahlen von Tesla dessen fortgesetzten Erfolgszug: In dem am Mittwoch vorgestellten Quartalsbericht für den Zeitraum bis Ende Juni kann der US-Hersteller mit neuen Rekorden bei Produktion und Auslieferung punkten. Trotz hoher Preisnachlässe blieben dabei die negativen Auswirkungen auf die Gewinnmarge überschaubar, die mit gut 9 Prozent zwar unter dem Vorjahreswert, aber immer noch über dem Branchendurchschnitt liegt.
Laut Ifo-Studie: Pessimistischer Geschäftsausblick deutscher Hersteller
Dass das Ende der staatlichen Förderungen die Nachfrage nach Elektroautos in Deutschland weiter einbrechen lässt, dürfte zusätzlich dazu beitragen, dass hiesige Hersteller gegenüber Tesla oder auch aufstrebenden chinesischen E-Auto-Unternehmen zunehmend ins Hintertreffen geraten. Das spiegelt sich auch in der Stimmung der Autobranche wider: Laut Erhebungen des Münchener Ifo-Instituts bewerten die deutschen Autohersteller ihren Ausblick zuletzt so pessimistisch wie seit 2008 nicht mehr. Der entsprechende Indikator fiel im Juni auf minus 56,9 Punkte zurück nach minus 10,3 Zählern im Mai und markierte damit bereits den fünften Rückgang in Folge.
Kein Wunder: Denn obwohl die Lieferketten wieder weitgehend funktionieren und Auftragsbestände abgearbeitet werden können, was zuletzt zu den hohen Neuzulassungszahlen führte, hat die Branche die pandemiebedingte Krise noch nicht überwunden. Im Vergleich zu 2019 hinken die Verkaufs- und Zulassungszahlen noch immer hinterher: Damals rollten rund 20 Prozent Neufahrzeuge mehr auf Europas Straßen als jetzt.
Frische Quartalszahlen ab nächster Woche
Betrachtet man die Entwicklung der Aktienkurse, stehen die Premiumhersteller BMW und Mercedes-Benz deutlich besser da als das Markensammelsurium, das sich unter dem Dach von Volkswagen versammelt. Während die BMW Aktie im bisherigen Jahresverlauf um ein Viertel zulegen konnte, schaffte die Mercedes-Benz Aktie immerhin ein Plus von gut 12 Prozent. Die ebenfalls im Dax gelistete VW Vorzugsaktie bringt es demgegenüber seit Anfang Januar lediglich auf einen Aufschlag von rund 3,5 Prozent.
Frische Zahlen für das zurückliegende Quartal werden aus Stuttgart und Wolfsburg am Donnerstag kommender Woche erwartet (27. Juli), die Münchener gewähren voraussichtlich in der darauffolgenden Woche (3. August) ein paar Tage später Einblick in ihre Geschäftsbücher.