Thyssenkrupp macht Milliardenverlust – Aktie legt kräftig zu
Thyssenkrupp hat seine Bilanz vorgelegt, nicht nur für das zurückliegende Quartal, sondern zugleich für das gesamte Geschäftsjahr, das zu Ende September abgeschlossen wurde.
Neuer Chef meldet Milliardenverlust
Das Zahlenwerk, das der erst seit Juni amtierende Vorstandschef Miguel Lopez nun der Öffentlichkeit präsentierte, lässt einiges zu wünschen übrig. Im zurückliegenden Geschäftsjahr fuhr der Konzern einen Nettoverlust von gut 2 Milliarden Euro ein – im Vorjahr hatte der Industrieriese aus dem Ruhrgebiet noch mehr als 1 Milliarde Euro Gewinn erwirtschaftet.
Folgerichtig kündigte der Chef im Rahmen der Bilanzpräsentation an, zügig und umfassend handeln zu wollen. Die Profitabilität des Unternehmens müsse steigen, um seine Zukunftsfähigkeit zu sichern. Als herausfordernd – und maßgeblich verantwortlich für die herben Verluste – gilt insbesondere das Stahlgeschäft.
Hohe Abschreibungen: Stahlsparte belastet Konzernergebnis
Die Sparte kämpft mit gesunkenen Verkaufspreisen bei zugleich steigenden Rohstoff- und Energiekosten. Zumindest kurzfristig dürfte sich daran auch nichts ändern: Der Ausblick für die Sparte ist mäßig, ihr Wert wurde nun noch einmal nach unten korrigiert. Allein die Abschreibungen summieren sich hier auf 2,1 Milliarden Euro. Der bereinigte Gewinn der Sparte lag im zurückliegenden Geschäftsjahr bei gerade noch 320 Millionen Euro – nach 1,2 Milliarden Euro im Vorjahr.
Der Gesamtkonzern erzielte ein Ergebnis von 703 Millionen Euro und damit nur noch rund ein Drittel des Vorjahreswerts. Für das kommende Jahr erwartet der Vorstand eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen und peilt ein bereinigtes Ebit im hohen dreistelligen Millionenbereich an, auch beim Umsatz stellt der Konzern ein leichtes Plus in Aussicht.
Verhandlungen über Joint Venture mit EPH
Im traditionsreichen Stahlgeschäft von Thyssenkrupp arbeiten rund 26.000 Beschäftigte. Lopez liebäugelt damit, den Bereich teilweise auszugliedern. Im Gespräch ist demnach ein Joint Venture mit der tschechischen Holding EPH, die ihr Geschäft zunehmend auf erneuerbare Energien ausrichtet und somit zum klimaneutralen Umbau der Stahlsparte von Thyssenkrupp beitragen soll.
Allzu umfassende Details aus den laufenden Verhandlungen, etwa zum angedachten finanziellen Volumen, wurden nicht erläutert. Für die Belegschaft soll sich durch die mögliche Zusammenarbeit jedoch wenig ändern, an bestehende Tarifverträge oder Standortzusagen hält man sich demnach weiterhin gebunden.
Thyssenkrupp Aktie steigt um fast 8 Prozent
Aktionäre begrüßten die Aussichten auf ein Joint Venture und zeigten sich außerdem erfreut über den überraschend hohen Cash-Flow, der auf 363 Millionen Euro angestiegen ist. Auch, dass trotz des verfehlten Jahresabschlusses eine Dividende von unverändert 15 Cent je Aktie ausgeschüttet werden soll, stimmte Anleger zufrieden.
Ursprünglich hatte Thyssenkrupp für das Geschäftsjahr 2022/23 „mindestens“ mit einem ausgeglichenen Nullsummenspiel gerechnet, stattdessen steht unterm Strich nun der milliardenschwere Verlust. Die genannten Faktoren sorgten dennoch dafür, dass die Thyssenkrupp Aktie im Handelsverlauf um mehr als 7 Prozentpunkte zulegen konnte, zum Handelsschluss lag das Plus bei knapp 7,9 Prozent.
Unklarheiten nach Verfassungsgerichtsurteil: Thyssenkrupp hat wohl Glück gehabt
Als gesamtwirtschaftliche Herausforderung steht auch in dieser Woche das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts weiter im Fokus von Unternehmen und Anlegern. In dem Urteilsspruch bezeichneten die Verfassungsrichter die Umwidmung von Finanzmitteln, die im Zuge der Coronapandemie gesichert und nun für andere Zwecke verwendet werden sollten, als verfassungswidrig.
Für die Bundesregierung reißt diese Entscheidung ein gigantisches Loch von 60 Milliarden Euro in die Haushaltsplanung. Die weitreichenden Auswirkungen des Richterspruchs aus Karlsruhe sind noch immer nicht vollständig absehbar. Klar ist jedoch schon jetzt: Auch etliche Industrieunternehmen, die auf staatliche Förderungen bei Investitionen eine Transformation hin zu mehr Klimaschutz gesetzt hatten, sind nun direkt betroffen. Wegen einer vorläufigen Haushaltssperre darf die Regierung vorerst keine neuen Zusagen mehr tätigen.
Glück für Thyssenkrupp: Anders als viele andere Unternehmen hat der Konzern seine Anträge bereits eingereicht und entsprechende Zusagen erhalten, damit besteht zumindest diesbezüglich Rechts- und Planungssicherheit. Bei mehr als 40 Wettbewerbern aus der Stahlbranche sieht das jedoch ganz anders aus – wer entsprechende Anträge noch nicht eingereicht hatte, könnte nun leer ausgehen oder zumindest deutlich weniger Geld vom Staat bekommen als ursprünglich erhofft. Doch auch hier sind Details aktuell noch unklar.