Lectra-Aktie auf Konsolidierungskurs

Inhaltsverzeichnis

Unbekannt und dennoch aussichtsreich? Nach einer herausragenden Kursentwicklung (von März 2020 bis März 2022: +238%) tut sich die Aktie des französischen Automatisierungsspezialisten Lectra derzeit schwer. Im Börsenjahr 2023 liegen die Papiere mit einem Minus von 20% deutlich hinter dem Markt. Von den Höchstkursen aus dem letzten Jahr ist die Lectra-Aktie sogar 35% entfernt.

Was sind die Gründe für die aktuelle Kursentwicklung? Wie steht es um die Geschäftsentwicklung und die zukünftigen Perspektiven des Unternehmens?

Lectra – starker Nischenplayer aus Frankreich

Bevor wir auf die Zahlen kommen, möchte ich Ihnen erst einmal das Geschäftsmodell der Franzosen vorstellen: Lectra ist hierzulande zwar kaum bekannt, aus zahlreichen Industrien aber nicht mehr wegzudenken. Kunden von A bis Z setzen Lectra-Lösungen ein: von Armani bis Yves Saint Laurent, von Airbus bis Toyota Boshoku:

Lectra ist Weltmarktführer für integrierte Lösungen (Software, CAD/CAM und ergänzende Services), speziell ausgerichtet auf die Stoff-, Leder-, Textil- und Verbundwerkstoffindustrie. Dabei agiert Lectra auf verschiedenen Märkten wie der Modebranche (Bekleidung, Accessoires, Schuhe), der Automobilindustrie (Autositze, Innenausstattung, Airbags), der Polstermöbelbranche sowie in diversen weiteren Marktsegmenten, welche technische Textilien verarbeiten.

Mit Hilfe industriespezifischer Soft- und Hardwarelösungen automatisieren und optimieren die Kunden von Lectra ihre gesamte Wertschöpfungskette – vom Design über die Entwicklung bis hin zur Herstellung.

Lectra schmiedet Automatisierungs-Riesen

In 2021 haben die Franzosen einen großen Schluck aus der Pulle genommen und den US-Rivalen Gerber Technologies übernommen. Lectra hat sich damit unmittelbar in eine neue Größenordnung katapultiert. Zumal sich die Franzosen eine richtige Koryphäe einverleibt haben.

Gerber Technology ist seit über 50 Jahren eine der Marktführer in den USA für integrierte Software- und automatisierte Hardwarelösungen primär für die Bekleidungsbranche, aber auch für technische Textilien und die Verpackungsindustrie.

Mit seinen Produkten bedient das US-Unternehmen Kunden auf der ganzen Welt, darunter über 100 Fortune-500-Unternehmen in 134 Ländern. Selbst Harley Davidson, Boeing, Nike oder Dupont nutzen die Automatisierungslösungen aus dem Hause Gerber Technology.

Übernahme von Textile Genesis

Ende letzten Jahres hat Lectra dann erneut zugeschlagen und mit TextileGenesis ein weiteres Unternehmen geschluckt. Die Gesellschaft bietet Bekleidungsunternehmen im Rahmen eines Software-as-a-Service (SaaS)-Modells ein System an, das die detaillierte Dokumentation und Nachverfolgung aller Produktions- und Vertriebsschritte eines Kleidungsstück „von der Faser bis zum Kunden“ ermöglicht und so „die Echtheit und Ursprünge“ des Artikels belegt.

Damit wird die Nachvollziehbarkeit der gesamten nachhaltigen Lieferkette sichergestellt. Der Kaufpreis belief sich auf 15,2 Millionen Euro.

Lectra mit rückläufigem Gewinn zum Jahresstart

Zuletzt verliefen die Geschäfte allerdings schleppender als in der Vergangenheit, was auch Ende April für den Kurskollaps verantwortlich war. Im ersten Quartal kletterten die Umsätze nur marginal um 1,3% auf 123,7 Millionen Euro in die Höhe. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) war unterdessen rückläufig und reduzierte sich um 12% auf 19,7 Millionen Euro. Entsprechend verringerte sich die EBITDA-Marge um 1,7 Prozentpunkte auf 16%. Der freie Cash Flow konnte hingegen sich von 7,1 auf 9,2 Millionen Euro gesteigert werden.

Grundsolide Bilanz mit Netto-Cash-Vermögen

Unter dem Strich stand ein Nettogewinn von 7,3 Millionen Euro in den Büchern. Stark zeigt sich auch die Bilanz: Zum Ende des ersten Quartals verfügte Lectra über einen positiven Netto-Cash-Bestand von 7,8 Millionen Euro.

Schwach war allerdings die reduzierte Jahresprognose. Statt einem Umsatz zwischen 522 bis 576 Millionen Euro erwartet Lectra nun nur noch Erlöse zwischen 485 und 525 Millionen Euro. Dabei sollen 65% der Umsätze wiederkehrender Natur sein. Beim bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen stellt der Vorstand nun statt 90 bis 113 Millionen Euro nur noch 78 bis 95 Millionen Euro in Aussicht.

Fazit: Hinter Lectra verbirgt sich ein aussichtsreiches französisches Familienunternehmen, dass sich in einer strukturell wachsenden Nische positioniert hat. Sollte sich die Investitionszurückhaltung der Kunden lösen, ist mit einer deutlich anziehenden Wachstumsdynamik zu rechnen. Die niedrigere Planung hat indes für eine deutliche Verstimmung bei den Anlegern gesorgt. Das heißt, Lectra ist jetzt in der Bringschuld und muss zeigen, dass der Weg zurück in die Erfolgsspur gelingt. Bis dahin dürfte der Aktienkurs naturgemäß höheren Schwankungen unterliegen.