Siemens Energy schockt Anleger: 6 Milliarden Euro vernichtet
Wenn selbst Experten und Manager überrascht sind, ist das meist kein gutes Zeichen: Die Probleme bei Siemens Energy mit der spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa sind offenbar weit größer als zunächst angenommen. Die Sparte kämpft seit Langem mit immer wieder neuen Problemen, bereits Anfang des Jahres hatten technische Ausfälle und erhebliche Instandhaltungskosten von rund einer halben Milliarde Euro für Alarmstimmung gesorgt.
Jahresprognose kassiert: Milliardenschwere Wartungskosten befürchtet
Nun aber zeigt sich: Die Schwierigkeiten und Ausfälle bei den Windturbinen sind offenbar noch umfassender als erwartet. Bei Siemens Energy zog man daraufhin die Reißleine: Per Ad-hoc-Mitteilung wurde die bisherige Jahresprognose kassiert, einen neuen Ausblick für das noch bis Ende September laufende Geschäftsjahr traut man sich angesichts der massiven Unsicherheiten rund um Gamesa derzeit noch nicht zu. Man rechnet wegen der technischen Ausfälle mit zusätzlichen Prüf- und Wartungskosten von mindestens einer weiteren Milliarde Euro.
Schon zuvor sah die Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2022/23 alles andere als rosig aus. Das aus dem Siemens-Konzern hervorgegangene, nunmehr eigenständig gelistete Dax-Unternehmen rechnete mit einer Ausweitung seiner Nettoverluste auf mehr als 800 Millionen Euro. Diese Zahlen sind nun Makulatur, es dürfte noch deutlich weiter in den Keller gehen.
Siemens Energy Aktie mit Rekordverlust
Ins Bodenlose abgestürzt ist am Freitag denn auch die Siemens Energy Aktie: Zählte sie bislang zu den stärksten Dax-Titeln im Jahresverlauf, rauschte die Aktie praktisch ungebremst in die Tiefe und verlor zwischenzeitlich rund 35 Prozent. Dass nicht einmal das Management sich zutraut, die erwarteten Finanzschäden konkret zu beziffern, sorgt für massive Verunsicherung unter den Anlegern. Hart erkämpftes Vertrauen ist praktisch über Nacht verpufft.
Dennoch hält man die Übernahme von Gamesa bei Siemens Energy nicht etwa für einen strategischen Fehler, sondern für unumgänglich: Ein Energiekonzern könne auf lange Sicht nicht funktionieren ohne eine eigene Windkraftsparte. Nur dass die Probleme, die diese Windkraftsparte verursacht, kaum noch überschaubar sind und die Kosten ins Unermessliche steigen. Siemens Energy bekommt die Gamesa-Krise einfach nicht in den Griff.
Gamesa-Schock verbrennt mehr als 6 Milliarden Euro Marktkapital
Allein am heutigen Freitag hat die Aktie von Siemens Energy mehr als 6 Milliarden Euro Kapital verbrannt. Es handelte sich nach Expertenberechnungen um den drittgrößten Tagesverlust eines Dax-Titels überhaupt in der Geschichte des Leitindex. Der Schock reißt auch andere Branchenvertreter ins Verderben: Aktien des Windkraftanlagenbauers Nordex, die zuletzt gut gelaufen waren, sackten im MDax um 4,7 Prozent ab. Auch der dänische Wettbewerber Vestas verlor an der dortigen Börse gut 5 Prozent.
Der Sturzflug der Siemens Energy Aktie riss auch den Dax mit in die Tiefe. Der Leitindex konnte erst am späten Nachmittag seine Verluste eindämmen und notierte kurz vor Handelsschluss rund 0,7 Prozent schwächer bei 15.870 Zählern. Auf Wochensicht ergibt sich damit ein Verlust für den Dax von etwa 2,5 Prozent.