Wasserstoff-Aktien: RWE und TotalEnergies machen Mut

Während das Wirrwarr um Donald Trumps aggressive Zoll- und Sicherheitspolitik im Fokus der Börse steht, wurde zuletzt ein wichtiges Thema vernachlässigt: die Energiewende.
Doch nun hat ein großer deutscher Konzern als Vorreiter der Branche endlich wieder Akzente in diesem Bereich gesetzt. Kurzum, es geht um den grünen Wasserstoff, der nach wie vor als wichtiger Hebel zur Dekarbonisierung etlicher Industriezweige gilt.
RWE liefert ab 2030 grünen Wasserstoff an TotalEnergies
Am Mittwoch hat der Essener Energieriese RWE eine umfassende Kooperation mit dem französischen Ölkonzern TotalEnergies rund um diesen nachhaltigen Energieträger präsentiert. Konkret wird RWE ab 2030 pro Jahr etwa 30.000 Tonnen grünen Wasserstoff an die Total-Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) liefern. Nach Unternehmensangaben ist das der bislang größte Grünwasserstoff-Abnahmevertrag in Deutschland.
Mit dem Energieträger und Rohstoff will Total jährlich 300.000 Tonnen CO2 in seiner Raffinerie einsparen und damit auch den immer strengeren staatlichen Anforderungen gerecht werden. Produziert wird der Wasserstoff von dem 300-Megawatt-Elektrolyseur von RWE in Lingen (Niedersachsen), der bis 2027 in Betrieb gehen soll.
Warum grüner Wasserstoff für Raffinerien so wichtig ist
In solchen Anlagen wird Wasser mithilfe von Ökostrom (hpts. Wind- oder Solarkraft) in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Durch die Nutzung erneuerbarer Energien erhält der Wasserstoff das Attribut „grün“ und kann in der Industrie – z.B. in Raffinerien – zur Dekarbonisierung eingesetzt werden.
In Raffinerien werden bereits heute große Mengen an Wasserstoff genutzt, unter anderem um Erdgas und Rohöl zu entschwefeln und Zwischenprodukte zu hydrieren. Beide Prozessschritte sind wichtig, um Umweltvorschriften einzuhalten und die Qualität der späteren Kraftstoffe zu verbessern.
Zum Einsatz kommt derzeit jedoch hauptsächlich sogenannter grauer Wasserstoff, der aus Erdgas produziert wird. Entsprechend hoch sind die CO2-Emissionen der Raffinerien. Durch den grünen Wasserstoff hingegen kann die Klimabilanz dieser Anlagen und deren Kraftstoffe deutlich verbessert werden, was letztendlich z.B. den Betrieb von Verbrennerautos oder fossilen Heizungen klimaschonender macht.
In Deutschland etwa sollen Kraftstofflieferanten wie Total bis 2030 die durch Treibstoffe entstehenden Treibhausgasemissionen (THG) um 25 % senken. Die Nutzung von grünem Wasserstoff in den Raffinerien ist hierfür eine Lösung. Allein Total bräuchte nach eigenen Angaben perspektivisch 500.000 Tonnen an grünem Wasserstoff, um seine Raffinerien zu dekarbonisieren.
Kombiniert mit anderen Akteuren ist das ein gigantisches Nachfragepotenzial – zumal neben den Raffinerien noch etliche andere Industriezweige grünen Wasserstoff zur Dekarbonisierung brauchen.
Deutsches Wasserstoffnetz im Fokus
Realisiert wird die Kooperation zwischen RWE und Total über das deutsche Wasserstoff-Kernnetz. Darüber werden Produktionsstandorte wie der in Lingen mit Verbrauchszentren wie die Industrieregion Leuna verbunden. Beide Standorte liegen mehr als 450 Kilometer voneinander entfernt.
Das Kernnetz soll insgesamt rund 9.000 Kilometer umfassen und größtenteils aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen, ergänzt durch neue Wasserstoff-Pipelines. Die Inbetriebnahme des Netzes soll zwischen 2025 und 2032 erfolgen – ein sehr breiter Zeitrahmen also, der die technologische, aber auch regulatorische Komplexität des ganzen Vorhabens unterstreicht.
Wasserstoffspeicher soll Ökostrom-Volatilität ausgleichen
Wichtig sind die Leitungen indes auch für den Transport zwischen Elektrolyseur und Speicher. Hintergrund: Laut EU-Recht müssen Elektrolyseure mit Ökostrom betrieben werden, der in derselben Stunde wie der Wasserstoff erzeugt wurde.
Da Wind- und Solarkraft aufgrund der wechselnden Tageszeit und Witterungsbedingungen nicht immer zuverlässig Strom liefern können, RWE aber trotzdem die vertraglich zugesagten Mengen liefern muss, wird der Konzern auf den geplanten Wasserstoffspeicher in Gronau-Epe zurückgreifen. Dort wird überschüssiger Wasserstoff zwischengelagert. Die Anlage soll 2027 in Betrieb gehen.
Mein Fazit für Sie
Die Meldung ist meiner Meinung nach ein wichtiger Lichtblick für den in letzten Jahren schwer strauchelnden Wasserstoff-Sektor. Im Chart sehen Sie ein Zertifikat auf den Wikifolio-Index „Wasserstoff Wirtschaft 2040“, der die wichtigsten, auf grünen Wasserstoff bzw. Brennstoffzellen spezialisierten Player enthält (Stand: 12.03.2025, 10:00 Uhr).

Quelle: www.aktienscreener.com
Deutlich erkennbar ist der massive Kursverlust in den letzten Jahren, bedingt durch ein ganzes Sammelsurium an Problemen. So leidet die Branche unter hohen Kosten, einer geringen Rentabilität, regulatorischen Unsicherheiten, Marktskepsis und dem makroökonomisch schwierigen Umfeld. Das Gelingen der Wasserstoffwende, die z.B. auch für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie ausschlaggebend ist, steht also auf Messers Schneide.
Dass nun ein Großkonzern wie Total trotz aller Unsicherheitsfaktoren grünen Wasserstoff für ein Zukunftsprojekt bestellt, ist ein starkes Signal, das das grundlegende Nachfragepotenzial unterstreicht. Entsprechend reagierten die spezialisierten Wasserstoff-Aktien am Mittwoch unterm Strich positiv auf die Meldung von RWE und Total. Das gezeigte Zertifikat stand am Vormittag mit immerhin 6 % im Plus.
Es bleibt fraglich, ob dies für eine nachhaltige Aufwärtsbewegung ausreichen wird, angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre. Hierzu bräuchte es wohl wesentlich mehr positive Nachrichten von diesem Kaliber – vor allem aber bräuchte es ein starkes Bekenntnis der Politik. Die Wasserstoffwende gerade in Deutschland kann laut Experten nur mithilfe des Staats gelingen, auch weil der grüne Wasserstoff bzw. dessen notwendige Infrastruktur ohne Subventionen längst noch nicht wettbewerbsfähig ist.
Wollen Sie in Grünwasserstoff-Aktien investieren, sollten Sie also auch darauf achten, ob und inwieweit das Thema bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin eine Rolle spielt.
Wichtig: Um Ihre Investment-Sicherheit in dem Bereich zu verbessern, können Sie zudem neben den spezialisierten und risikoreichen Wasserstoff-Aktien wie Nel Asa, Plug Power oder ITM Power grundsätzlich auch auf große Titel wie nun eben RWE setzen. Mit dem breit diversifizierten Energiekonzern bekommen Sie zwar im Vergleich einen relativ geringen Wasserstoff-Anteil, allerdings deutlich mehr Stabilität.