Nord Stream 2 vor dem Aus?
Es hat viele Jahre gedauert, doch mittlerweile ist das Rohr fertig: Die Rede ist von der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2, die russisches Erdgas durch die Ostsee über Mecklenburg-Vorpommern nach Europa transportieren soll. Doch ob jemals tatsächlich Gas durch das Rohr strömen wird, steht in den Sternen.
Ukrainekonflikt gefährdet Infrastrukturprojekt
Schon seit langem kritisieren nicht nur europäische Partner, sondern auch die US-Regierung das Infrastrukturprojekt und bemängeln, Europa würde seinen Energiemarkt dadurch zu sehr von Russland abhängig machen. Hinzu kommt der nach wie vor schwelende Konflikt Russlands mit der Ukraine.
Seit der Annexion der Krim vor einigen Jahren ist der Konflikt nicht gelöst, in den vergangenen Monaten war stattdessen immer wieder lauter werdendes Säbelrasseln aus Moskau zu vernehmen. Zuletzt hatten russische Truppenbewegungen nahe der Grenze zur Ukraine international für Aufsehen gesorgt – und die Diskussion um eine Inbetriebnahme der Ostseepipeline neu angefacht.
Sollte Russlands Präsident Wladimir Putin es tatsächlich auf einen militärischen Konflikt ankommen lassen, wäre das Projekt kaum noch zu halten. Zurzeit ist die Zertifizierung der Nord Stream 2 ausgesetzt, weil formale Voraussetzungen nicht erfüllt waren, die nun nachgeholt werden.
International und auch in der Bundesregierung umstritten
Nicht nur international, sondern auch innerhalb der Bundesregierung könnte das Projekt für hitzige Debatten sorgen. Denn während die SPD den Bau in den vergangenen Jahren mitgetragen hat, haben sich die mittlerweile mitregierenden Grünen stets gegen die Pipeline positioniert. Das Kanzleramt ist bekanntlich nun SPD-geführt, während das Wirtschaftsministerium in den Händen des Grünen Robert Habeck liegt.
Die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, ebenfalls von den Grünen, hatte kürzlich einen Verzicht auf die Inbetriebnahme der Pipeline ins Gespräch gebracht. Aus Berlin hieß es daraufhin allerdings, aktuell sehe man hierzu keinen Entscheidungsbedarf. Das Thema ist offensichtlich auch innerhalb der Regierung nicht unumstritten.
Während sich mehrere osteuropäische Staaten dafür aussprachen, die Pipeline als machtpolitisches Instrument gegenüber Russland zu nutzen und auf eine Inbetriebnahme zu verzichten, befürwortete die österreichische Bundesregierung die russischen Erdgaslieferungen durch die Ostsee.
Bundesnetzagentur erwartet keine Entscheidung im ersten Halbjahr 2022
Laut der in Bonn angesiedelten Bundesnetzagentur ist in den kommenden Monaten nicht mit einer Zertifizierung zu rechnen. Diese Schonfrist wollen die deutsche und die französische Regierung offenbar nutzen, um ihre Bemühungen um eine Vermittlung in dem Konflikt zwischen Moskau und Kiew noch einmal zu intensivieren.
Dass dies von Erfolg gekrönt sein wird, darf allerdings bezweifelt werden. Ein Aus für Nord Stream 2 wird angesichts der aktuellen geopolitischen Spannungen mit Russland immer wahrscheinlicher. Scheitert das Projekt, hätte Deutschland einmal mehr Milliardensummen versenkt – und könnte überdies mit Blick auf die Energieversorgung vor neue Herausforderungen gestellt werden.
EU will künftig keine Gaspipelines mehr fördern
Die Europäische Union macht unterdessen Nägel mit Köpfen – und treibt den Abschied vom Erdgas voran. Zumindest sollen neue Öl- und Erdgaspipelines künftig nicht mehr mit EU-Mitteln gefördert werden.
Um die ambitionierten selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen, setzt die EU stattdessen verstärkt auf erneuerbare und umweltfreundlichere Energieträger. Gefördert werden sollen etwa Offshore-Windparks oder die Förderung von Wasserstoff.
Bis 2050 will Europa vollständig klimaneutral werden. In einem ersten Schritt sollen bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als im Referenzjahr 1990.