Merck KGaA: Hauptversammlung 2019 im Schatten einer Mega-Übernahme
Durch den Verkauf des Consumer-Health-Geschäfts an Procter&Gamble für ca. 2,7 Mrd. Euro wollte Merck auch Schulden tilgen. Daraus wird nun nichts. Mit rund 5,75 Mrd. Euro (aktuell rund 6,5 Mrd. US-Dollar) verschlingt die avisierte Übernahme des amerikanischen Halbleiterproduzenten Versum sogar mehr als doppelt so viel Geld.
Stärkung des zweiten Standbeins
Nach dem Rückzug aus dem Konsumentengeschäft verstärkt Merck durch die Übernahme sein Geschäftsfeld Spezialchemie, das in letzter Zeit durch den starken Wettbewerb unter Druck geraten war. Neben dem Arzneimittelgeschäft ist das Feld der Spezialchemie der zweite wichtige Bereich der Geschäftsaktivitäten des Konzerns.
Hartes Rennen bei der Übernahme
Eigentlich wollte Versum mit dem Spezialchemiekonkurrenten Entegris fusionieren. Beide Gesellschaften waren sich bereits einig und hatten einen Vertrag mit einem Kaufpreis von rund 4 Mrd. US Dollar (3,5 Mrd. Euro) unterzeichnet.
Diesen Deal verhinderte Merck. Das erste Übernahmeangebot von Merck im Wert von rund knapp 6 Mrd. US-Dollar konnte die Aktionäre von Versum noch nicht überzeugen. Erst eine weitere Erhöhung um nochmals mehr als 500 Mio. US-Dollar führte zum Umdenken bei Versum. Einige Marktbeobachter sprachen von einer feindlichen Übernahme. Am 12.04.2019 konnte der Vorstand des Merck-Konzerns Vollzug melden.
Der Fusionsvertrag mit Entegris wurde daraufhin von Versum gekündigt. Versum gab sich geschlagen, offen sind aber noch mögliche Schadenersatzansprüche wegen der Kündigung des bereits geschlossenen Fusionsvertrages.
Formal offen ist zusätzlich noch die Zustimmung der Versum Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 26.04.19. Da der Kurs der Aktie von rund 25 US Dollar gegen Ende 2018 nun auf rund 52 US Dollar gestiegen ist (das Übernahmeangebot lautet auf 53 US Dollar), ist eine Zustimmung relativ wahrscheinlich. Ansonsten würden den Versum Aktionären erhebliche Kursverluste drohen.
Stolperfalle Kartellbehörden
Wie bei allen großen grenzüberschreitenden Großfusionen steht auch dieses Geschäft unter dem Vorbehalt der Zustimmung der internationalen Kartellbehörden, die sich nun mit dem Fall eingehend beschäftigen werden. Da es sich hier um zwei große international agierende Unternehmen handelt, kann sich dieser Prozess eine Zeit lang hinziehen. Ein Verbot ist allerdings nicht zu erwarten. Wohl aber die Auflage, bestimmte Unternehmensbereiche als Ausgleich zu veräußern.
Aktionäre sehen den Kauf kritisch
Oft gehen Fusionsmeldungen mit deutlichen Kursgewinnen einher, nicht so in diesem Fall. Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung ging der Kurs der Merck Aktie um rund 4 Euro auf 99 Euro zurück, mit der offiziellen Bekanntgabe gab der Kurs um weitere 2 Euro nach. Keine dramatischen Kursverluste, aber ein erstes Warnzeichen, welches die Skepsis der Aktionäre widerspiegelt.
Was ist auf der Hauptversammlung zu erwarten
Die Zahlen des vergangenen Jahres werden in der Hauptversammlung nur eine Nebenrolle spielen. Die Dividende wird mit 1,25 Euro in unveränderter Höhe zum letzten Jahr vorgeschlagen. Allerdings werden nun die Geschäftsaktivitäten von Merck durch zwei Mega-Deals in kurzer Folge durcheinandergewirbelt.
Durch den Kauf von Versum sind kurzfristig alle bisherigen Planungen für den Konzern obsolet, die bereits durch den Verkauf des Consumer-Health-Geschäfts gegen Ende 2018 für deutlich angepasst werden mussten.
Analysten fällt es noch schwer, fundierte neue Prognosen abzugeben. Bisher steht noch nicht einmal fest, wann die Übernahme konkret formaljuristisch abgeschlossen sein wird. Zu erwarten ist ein Termin in der zweiten Jahreshälfte 2019.
Zur gesamten Transaktion muss und wird der Vorstand Erläuterungen und erste Schätzungen liefern müssen. Ob diese die Aktionäre überzeugen können ist noch offen.
Ausblick
Merck hat einen überraschenden Coup mit der Übernahme von Versum gelandet. Erste Schätzungen gehen von einer Zeitspanne von 3 Jahren aus, bis sich diese Transaktion auszahlen wird. Aktionäre müssen sich in Geduld üben.