Tui und Lufthansa: Reisebranche im Erholungsmodus?
Etwas später als von Lufthansa-Chef Carsten Spohr ursprünglich erhofft hat die Lufthansa damit begonnen, die staatlichen Hilfen zurückzuzahlen.
Spohr hatte vor einigen Monaten das Ziel ausgegeben, die Kredite und Stillen Einlagen noch vor der Bundestagswahl am 26. September aufzulösen. Das ist nicht ganz gelungen, doch der aktuelle Zeitplan, die Gelder noch im laufenden Kalenderjahr zurückzuzahlen, scheint aufzugehen.
Traditionskonzern über Nacht vor der Pleite
Aus der ersten Stillen Einlage hatte die Airline 1,5 Milliarden Euro in Anspruch genommen, die nun dank einer milliardenschweren Kapitalerhöhung zurückgezahlt werden konnten. Insgesamt hatte die Ausgabe neuer Anteilsscheine der Lufthansa fast 2,2 Milliarden Euro eingebracht. Der nicht genutzte Anteil der ersten Stillen Einlage sowie eine zweite in Höhe von 1 Milliarde Euro sollen bis Jahresende ebenfalls ad acta gelegt werden. Ein Kredit der staatlichen Förderbank KfW war bereits zuvor abgezahlt worden.
Insgesamt hatten die Bundesregierung sowie Österreich, Belgien und die Schweiz – wo die Lufthansa jeweils Tochtergesellschaften unterhält – 9 Milliarden Euro bereitgestellt, um der Kranichairline beim Überbrücken der Pandemie zu helfen. Ohne die staatlichen Hilfen hätte die Linie vor der Pleite gestanden. Nach Ausbruch der Pandemie war im vergangenen Jahr die gesamte Luftfahrtbranche quasi über Nacht nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, nicht einmal 10 Prozent des sonst üblichen Flugverkehrs fand noch statt – und das über Wochen und Monate hinweg, auch und gerade während der Hauptreisesaison, aber eben auch darüber hinaus.
Touristen kehren allmählich zurück – innerhalb Europas
Mittlerweile geht es wieder aufwärts. Die Touristen kehren ebenso zurück wie die Geschäftsreisenden, wobei Erstere sich vorrangig auf Ziele im Kurz- und Mittelstreckensegment fokussieren. Weil grenzübergreifender Verkehr innerhalb der Europäischen Union inzwischen wieder weitgehend ohne oder mit nur geringen Auflagen möglich ist, sind Destinationen wie Griechenland oder die Kanarischen Inseln derzeit besonders beliebt.
Das stellen nicht nur Airlines wie die Lufthansa fest, die ihren Flugplan kurzfristig deutlich touristischer ausgestaltete als in Vor-Corona-Zeiten. Auch Tourismuskonzerne wie Tui verzeichnen steigende Buchungszahlen für das laufende, aber auch für das kommende Jahr. So berichtet das Unternehmen von 1,6 Millionen Buchungen für die Sommersaison 2022 und bezeichnet diese Entwicklung als „sehr ermutigend“.
Auch Tui plant Kapitalerhöhung
Ebenso wie die Lufthansa war auch Tui dank staatlicher Hilfen vor einer Insolvenz bewahrt worden und plant nun die Rückzahlung. Diese soll – wie schon bei der Traditionsairline – auch durch eine Kapitalerhöhung finanziert werden. Insgesamt sollen neue Aktien im Wert von 1,1 Milliarden Euro ausgegeben werden.
In den kommenden Monaten gehen beide Unternehmen davon aus, etwa 80 Prozent des Vorkrisenniveaus zu erreichen – immer vorausgesetzt, das Pandemiegeschehen bleibt einigermaßen unter Kontrolle. Sollten neue, besonders gefährliche oder hochansteckende Virusmutationen auftreten, die bisherige Schutzimpfungen stärker als bislang durchbrechen können, drohen neue Restriktionen, die auch die Erholung der Tourismusbranche wieder abwürgen könnte.
Anleger und Analysten teilen Zuversicht vorerst nicht
Zunächst aber herrscht erst einmal Zuversicht in Frankfurt und Hannover bei Lufthansa und Tui, auch wenn der Optimismus bei den Anlegern noch nicht so recht ankommen will. Sie mussten in den vergangenen sechs Monaten herbe Verluste hinnehmen. So brach die Lufthansa Aktie, die im Zuge der Pandemie und der staatlichen Finanzhilfen vom Dax in den MDax abgestiegen war, im vergangenen halben Jahr um fast die Hälfte ein. Aktien von Tui verbilligten sich im gleichen Zeitraum um knapp 20 Prozent.
Belastend wirkten sich zuletzt auch negative Analystenkommentare aus. Die meisten Experten raten derzeit dazu, sich von Papieren von Lufthansa und Tui zu trennen. Der Reiseanbieter habe demnach trotz Kapitalerhöhung noch einen langen Weg vor sich, bis sich die Bilanz und auch die Liquiditätsspielräume nach der Pandemie normalisieren würden.
Konsolidierung voraus?
Mit Blick auf die Lufthansa Aktie hat zuletzt die britische Großbank Barclays das Kursziel deutlich reduziert von zuvor 8,50 auf nun nur noch 5,20 Euro. Die Skepsis begründet sich demnach vor allem aus den sich nur langsam erholenden Langstreckenflügen. Haupttreiber der Erholung für Airlines sind nach wie vor eher touristische Kurs- und Mittelstreckenangebote – und in diesem Segment sind andere Fluggesellschaften viel besser aufgestellt als die Lufthansa, die vor der Pandemie vor allem Fernziele für Geschäftsreisende im Programm hatte.
Dennoch rechnen nicht wenige Experten damit, dass sich die Luftfahrtbranche in den kommenden Monaten konsolidieren dürfte. Dann könnte es zu Fusionen oder Übernahmen unter europäischen Airlines kommen – und hier will die Lufthansa nicht außen vor sein. Übernahmen sind aber – ebenso wie die Zahlung von Boni oder Dividenden – nicht erlaubt, solange der Staat mit an Bord ist. Ein Grund mehr also, die Hilfen des Bundes so schnell wie möglich wieder loszuwerden.