Lufthansa: Will man sich das wirklich antun?
Die jüngsten Turbulenzen rund um das Modell 737 Max treffen indirekt auch die Lufthansa: Die Traditionsairline hatte kurz vor Weihnachten bekanntgegeben, 40 Jets dieses Typs bei Boeing zu bestellen und sich Optionen auf weitere 60 Flugzeuge zu sichern, die in den kommenden Jahren ausgeliefert werden sollen. Wo genau sie eingesetzt werden, steht offenbar noch nicht fest – die Hauptmarke Lufthansa will man jedoch erst einmal außen vorlassen. Die 737 Max dürfte also zunächst bei Tochtergesellschaften wie Austrian, Swiss, Brussels oder Eurowings zum Einsatz kommen.
Strategische Kehrtwende: 737 von Lufthansa vor Jahren ausgemustert
Die neue Bestellung ist eine kleine Sensation und eine strategische Kehrtwende: Die Lufthansa hatte die 737 nach jahrzehntelangem Einsatz im Herbst 2016 aus ihrer Flotte ausgemustert. Seither setzte Deutschlands größte Fluggesellschaft auf der Kurz- und Mittelstrecke ausschließlich auf Airbus. Die nun beschlossene Diversifizierung soll offenbar strategische Risiken minimieren, die sich aus zu großer Abhängigkeit eines einzelnen Lieferanten auf lange Sicht ergeben könnten. Zudem sind die Kapazitäten bei Airbus bis 2030 ausgelastet, vorher sind die beliebten Mittelstreckenflugzeuge aus der A320-Baureihe gar nicht zu bekommen.
Dennoch geht auch der deutsch-französische Flugzeugbauer nicht unberücksichtigt bei der Shoppingtour der Lufthansa: Einerseits bestellt die Lufthansa 40 Maschinen des kleineren Typs A220, andererseits sichert sich die Airline Optionen für 40 weitere Jets aus der Reihe A320neo, die seit einigen Jahren sehr erfolgreich im Einsatz ist.
Flottenmodernisierung – mit Risiko von massivem Reputationsschaden?
In der Lufthansa-Konzernzentrale in Frankfurt am Main ist von der größten Flottenmodernisierung der Unternehmensgeschichte die Rede, die durch die neuen Bestellungen noch einmal beschleunigt und vorangetrieben wird. Insgesamt umfasst die Orderliste der Lufthansa nun 280 Flugzeuge sowie Kaufoptionen auf 120 weitere Jets.
Angesichts der erneuten Negativschlagzeilen rund um den Zwischenfall bei Alaska Airlines mit einer erst wenige Wochen alten 737 Max werden nun jedoch erste Stimmen laut, die der Lufthansa eine Stornierung ihrer Bestellung nahelegen. Denn sollte es bei einer der Lufthansa-Töchter zu vergleichbaren Zwischenfällen in der Luft kommen, hätte auch die als sehr sicher geltende deutsche Traditionsairline einen massiven Reputationsschaden.
Will sich Lufthansa wirklich Boeings Problemflieger ins Haus holen?
Es sind keine Einzelfälle, die Boeing und seine 737 Max belasten. Es sind schwerwiegende strukturelle Qualitätsprobleme. Kritiker sehen die Ursache dafür in den 1990er Jahren. Nach dem Zusammenschluss mit dem einstigen Konkurrenten McDonnell Douglas wurde Profitstreben über Ingenieurskunst gestellt, viele Vorgänge in der Entwicklung und Fertigung einzelner Bauteile wurden outgesourcet an Dienstleister rund um den Globus. Die vielfältigen Probleme, die das mit sich bringt, kumulieren in den katastrophalen Sicherheitsrisiken der 737 Max, die offenkundig viel zu schnell aus dem Boden gestampft wurde, um dem A320neo von Airbus irgendetwas entgegenzusetzen.
Dass dies jedoch auf Kosten der Qualität der Flugzeuge und der Sicherheit von Besatzungen und Passagieren ging, ist unverzeihlich. Mit der 737 Max könnte ausgerechnet die jüngste Version jenes Flugzeugs, das Boeing groß gemacht hat, den Untergang des Unternehmens einläuten. Die Lufthansa sollte sich gut überlegen, ob sie wirklich Teil dieses Niedergangs werden möchte.