Deutsche Luftfahrtbranche überfordert mit Sommersaison
- Starke Sommersaison hatte sich abgezeichnet
- Tausende Stellen gestrichen – das rächt sich jetzt
- Fluggäste drohen mit Klagewelle gegen Airlines
- Lufthansa verknappt Tickets – und verlangt horrende Preise
- Urlaubsantritt erfordert viel Zeit und starke Nerven
- Lufthansa verliert 5-Sterne-Rating – Aktie im Tiefflug
Mit den Sommerferien ist es in diesem Jahr wie sonst mit Weihnachten – es kommt überraschend. Nur dass die Dimensionen dieser Tage ganz andere sind, als wenn man am 23. Dezember noch schnell ein paar Last-Minute-Geschenke für die Liebsten zusammenkaufen muss.
Starke Sommersaison hatte sich abgezeichnet
Dabei hätte man es seit Monaten wissen können: Der schrittweise Wegfall der pandemiebedingten Beschränkungen hat sich ebenso abgezeichnet wie die Buchungen von Sommerurlauben ausgehungerter Touristen nach zwei Jahren daheim. Bereits Anfang des Jahres sprach Lufthansa-Chef Carsten Spohr von Hoffnungen auf eine starke Sommersaison.
Nun ist sie da – und die Flughäfen kommen an ihre Belastungsgrenzen. Seit Pfingsten liest man täglich von stundenlang wartenden Passagieren, die ihren Flug verpassen, weil sie den Sicherheitscheck nicht rechtzeitig durchlaufen – sofern der Flug denn überhaupt stattfindet, denn tausende Verbindungen wurden bereits annulliert und werden weiterhin gestrichen.
Sollte man es tatsächlich schaffen, rechtzeitig in ein dann auch startendes Flugzeug zu gelangen, bleibt fraglich, ob auch der aufgegebene Koffer mit an Bord ist – oder am Zielflughafen mit ausgeladen wird. Chaotische Zustände herrschen nicht nur im Bereich von Check-In und Security-Schranke, sondern auch bei der Gepäckausgabe.
Tausende Stellen gestrichen – das rächt sich jetzt
Der Grund liegt auf der Hand: Es fehlt an fachlich geschultem Personal. Tausende Stellen hatten Airlines und Flughafenbetreiber während der Pandemie abgebaut. Beschäftigten wurden damals Abfindungen geboten, wenn sie den Job quittieren. Viele haben das in Anspruch genommen und sich seither anderweitig orientiert. Die Unternehmen indes haben es versäumt, rechtzeitig die nunmehr offenen Positionen nachzubesetzen und Personal zu schulen. Gerade für den Bereich der Sicherheitschecks gibt es hohe Anforderungen.
Nun ist von Gastarbeitern aus der Türkei die Rede, die kurzfristig angeworben werden sollen, um für einen begrenzten Zeitraum an den Flughäfen auszuhelfen, beispielsweise bei der Gepäckabfertigung. Doch auch die müssen erst einmal gefunden, eingeflogen und geschult werden. Branchenkenner schätzen, dass selbst jetzt rekrutiertes Aushilfspersonal erst in etwa zwei Monaten einsatzbereit ist. Die Sommerferien sind bis dahin längst vorbei.
Fluggäste drohen mit Klagewelle gegen Airlines
Betroffen von Flugannullierungen sind vor allem innerdeutsche und europaweite Verbindungen. Nicht immer gelingt eine reibungslose Umbuchung oder eine Übernachtung im Hotel auf Kosten der Fluggesellschaften. Kunden, die mit Ryanair oder der Lufthansa-Tochter Eurowings von Düsseldorf oder Köln-Bonn abheben wollen, klagen tagtäglich ihr Leid. Am größten deutschen Airport in Frankfurt ist die Lage insgesamt noch etwas entspannter, wobei auch dort tageweise von langen Warteschlangen berichtet wird.
Immer häufiger drohen verärgerte Fluggäste nun damit, die Airlines auf Entschädigung zu verklagen, während Flughafenbetreiber, Fluggesellschaften und Bundespolizei sich gegenseitig die Verantwortung für die Misere zuschieben.
Lufthansa verknappt Tickets – und verlangt horrende Preise
Bei der Lufthansa hat man inzwischen kreativ reagiert: Die Kapazitäten wurden begrenzt, wer ein Ticket buchen will, zahlt dafür horrende Preise. Damit will die Airline für genügend freie Plätze sorgen, um im Falle von Annullierungen Passagiere leichter umbuchen und auf andere Flüge verteilen zu können.
Auf steigende Ticketpreise müssen sich Flugreisende ohnehin einstellen: Die gestiegenen Ölpreise und damit höheren Kerosinkosten werden auf diesem Wege an die Kunden weitergegeben, außerdem reist es sich zur Hauptsaison ohnehin teurer als im Rest des Jahres.
Urlaubsantritt erfordert viel Zeit und starke Nerven
Der Sommerurlaub wird damit zunehmend zum Luxusgut, gerade in Zeiten hoher Inflation, die das Budget vieler Familien ohnehin schon stark belastet. Mit einer Entspannung der Lage an den Flughäfen jedenfalls rechnet Lufthansa-Chef Spohr erst im kommenden Jahr.
Für die laufende Saison sollten sich Passagiere dementsprechend auf lange Wartezeiten einstellen und starke Nerven mitbringen – nicht unbedingt eine Kombination, die unbeschwerte Urlaubsstimmung aufkommen lässt.
Lufthansa verliert 5-Sterne-Rating – Aktie im Tiefflug
Auch Lufthansa Anlegern ist das Chaos auf den Magen geschlagen. Die Aktie befindet sich im Sinkflug: Allein binnen eines Monats hat der Kurs um mehr als 16 Prozentpunkte nachgegeben auf zuletzt rund 5,60 Euro.
Belastend wirkte dabei nicht zuletzt ein negativer Analystenkommentar in der vergangenen Woche: Das Analysehaus Bernstein Research kappte das Kursziel für die Lufthansa Aktie von 6,00 auf 4,75 Euro und rät nach Halten nunmehr zum Verkauf des Papiers. Die Experten verweisen zur Begründung unter anderem darauf, dass sich die Erholung des Flugverkehrs mit Blick auf Verbindungen nach Ostasien sowie die Frequentierung durch Geschäftsreisende langsamer gestaltet als erhofft.
Zwar hat die Lufthansa bereits etliche Urlaubsdestinationen in ihr Programm aufgenommen, um auch von den Urlaubsmonaten zu profitieren. Doch damit macht sie ihren eigenen Tochtergesellschaften Konkurrenz – und ramponiert das eigene Image. Zuletzt verlor die Lufthansa ihr 5-Sterne-Rating bei Skytrax, das sie als einzige Fluggesellschaft Europas seit 2018 halten konnte.