Gigaset meldet Insolvenz an: Aktie stürzt ab
Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen: Gigaset hat seine Zahlungsunfähigkeit erklärt und einen Insolvenzantrag gestellt.
Vom Smartphone abgehängt
Die ehemalige Siemens-Tochter stellt verschiedene Produkte her, ist aber vor allem für eines bekannt: schnurlose Festnetztelefone. Vor gut 20 Jahren waren sie der letzte Schrei – endlich konnte man sich beim Telefonieren in der Wohnung frei bewegen und war nicht durch die Länge der Kabel eingeschränkt.
Seitdem haben sich die Zeiten bekanntlich geändert. Niemand wählt sich mehr geräuschvoll per Modem ins ISDN ein, und auch der Festnetzanschluss wird mehr und mehr zum Auslaufmodell. Spätestens mit dem Siegeszug der Smartphones ist die Nachfrage eingebrochen. Viele Haushalte, insbesondere solche, die von Personen unter 50 Jahren bewohnt werden, besitzen bereits seit Jahren kein Festnetztelefon mehr. Hinzu kommt, dass Mobilfunkanbieter ihren Kunden oftmals eine Festnetznummer im Handyvertrag bereitstellen, sodass sie zu günstigen Konditionen angerufen werden können.
Gigaset Aktie schmiert ab – 67 Prozent Tagesverlust
Der einstige Kassenschlager von Gigaset ist überholt, er wird kaum noch gebraucht und dürfte wohl in nicht allzu ferner Zukunft ganz verschwinden. Insofern kommt die Pleite wenig überraschend. Die Gigaset Aktie, ohnehin ein Pennystock, der es im bisherigen Jahresverlauf lediglich im Mai kurzzeitig über die Schwelle von 1 Euro gebracht hat, stürzte nach Bekanntwerden der Insolvenz ins Bodenlose und verlor zwei Drittel an Wert. Von gut 30 Cent ging es abwärts auf nur noch 10 Cent zum Handelsschluss.
Das in Bocholt ansässige Unternehmen will seine Geschäfte in den Bereichen Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Schnurlostelefonen dennoch bis auf weiteres fortführen und sich im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung „nachhaltig restrukturieren“, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt.
Sprung ins Internetzeitalter verpasst
Als Hintergrund für den Bankrott benennt Gigaset einen „unerwarteten und erheblichen Umsatzrückgang“ im noch jungen zweiten Halbjahr 2023 – die Nachfrage schwächelt demnach aktuell noch mehr als ohnehin schon. Gigaset beschäftigt laut eigenen Angaben rund 850 Mitarbeiter und gilt als europaweiter Marktführer bei den schnurlosen Festnetztelefonen.
Den Sprung ins Internetzeitalter hat das Traditionsunternehmen, das auf eine 175-jährige Geschichte zurückblicken kann, allerdings verpasst. Zwar produziert Gigaset auch Smartphones auf Android-Basis, diese führen aber ein wenig beachtetes Nischendasein und können sich kaum durchsetzen in dem vor allem von Apple und Samsung dominierten Markt.
Bei den beiden Smartphone-Platzhirschen läuft es dagegen vergleichsweise rund, und das auch am Börsenparkett: Seit Beginn des Jahres legte die Aktie von Samsung Electronics um rund ein Fünftel zu, während sich Anteilsscheine von Apple im gleichen Zeitraum um gut 33 Prozent verteuerten.