Evonik-Aktie: Solide Q3-Zahlen – doch die Rezession naht!
Es sind schwierige Zeiten für Unternehmen, die viel in Deutschland produzieren. Betroffen von der Energie- und Erdgaskrise ist auch der Essener Spezialchemiekonzern Evonik.
Schauen Sie: Der nach BASF zweitgrößte deutsche Chemiespezialist bezieht weltweit rund 15 Terawattstunden Erdgas pro Jahr. Der Rohstoff wird vor allem zur Energie- und Dampferzeugung genutzt. Obwohl der Konzern in mehr als 100 Ländern aktiv ist, verbraucht er ein Drittel seines Erdgasbedarfs in Deutschland.
Evonik: Massiver Umsatzsrpung in Q3 – Profit nur leicht gesunken
Entsprechend gespannt hatte der Markt in den letzten Wochen auf die Präsentation zum dritten Quartal und die Prognose für das Gesamtjahr gewartet. Am Dienstag war es nun endlich so weit. Kurzum: Ganz so schlecht fiel das Zahlenwerk nicht aus.
Evonik steigerte in Q3 seinen Umsatz um satte 26 Prozent auf 4,88 Milliarden Euro. Damit lag der Konzern deutlich über dem Analystenkonsens (4,39 Mrd. €). Wegen der gestiegenen Kosten für Rohstoffe und Energie hat Evonik die Preise für seine Chemikalien deutlich erhöht – und die Kunden sind diese Preiserhöhungen mitgegangen. Entsprechend schoss der Umsatz nach oben.
Trotzdem: Die Preissteigerungen haben nicht ausgereicht, um auch den Profit zu verbessern. So lag das bereinigte operative Ergebnis (EBITDA) bei 615 Millionen Euro. Das entspricht zwar einem Rückgang von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal – ist aber weit davon entfernt, eine Katastrophe zu sein.
Zum Vergleich: Beim Branchenprimus BASF verschlechterte sich das operative Ergebnis in Q3 um 28 Prozent. Beim dritten deutschen Chemiegiganten Covestro krachte das EBITDA gar um 65 Prozent ein.
Chemiekonzern drosselt Erdgasabhängigkeit
Tatsächlich hat es Evonik zuletzt besser als die Konkurrenz geschafft, seine Abhängigkeit von Erdgas zu reduzieren. Bereits im August hatte der Konzern angekündigt, dass man 40 Prozent des Erdgasverbrauchs an deutschen Standorten durch andere Energieträger ersetzen werde.
So setzt Evonik in seinem größten deutschen Werk in Marl zur Energieerzeugung mehr und mehr auf sogenanntes LPG statt Erdgas. Im Gegensatz zu Erdgas besteht jenes Liquefied Petroleum Gas nicht aus Methangas, sondern hauptsächlich aus Butangas, das im Chemiewerk als Nebenprodukt anfällt. Zudem betreibt Evonik an dem Ruhrgebiet-Standort ein Kohlekraftwerk weiter, das eigentlich noch in diesem Jahr auf Eis gelegt werden sollte.
Und nicht zuletzt plant das Unternehmen langfristig eine verschärfte Abkehr von fossilen Brennstoffen. So hatte man kürzlich einen Vertrag mit dem Energieversorger EnBW geschlossen, um ab 2026 Öko-Strom aus einem Windpark in der deutschen Nordsee abzunehmen.
Rezessionsangst: Evonik reagiert mit Sparprogramm
Nichtsdestotrotz: Evonik ist längst noch nicht aus dem Schneider. Zwar erwartet das Management für das laufende Jahr einen bereinigten operativen Gewinn von 2,5 bis 2,6 Milliarden Euro und einen Umsatz von 18,6 Milliarden Euro. Damit dürften beide Kennzahlen über dem Niveau von 2021 liegen. Für 2023 aber rechnet der Chemiegigant mit einer Rezession.
Das heißt: Die Nachfrage nach Chemieprodukten dürfte im nächsten Jahr zurückgehen. Für Evonik wird es deshalb schwieriger, die höheren Produktionskosten an die Kunden weiterzugeben. Einen konkreten finanziellen Ausblick auf 2023 gab der Vorstand indes nicht preis.
Nur so viel: Man bereite sich derzeit auf die Rezession vor. Evonik-Chef Christian Kullmann will weitreichende Sparmaßnahmen umsetzen, um die Profitabilität auch in Zeiten des wohl kommenden Wirtschaftseinbruchs einigermaßen auf Kurs zu halten. So will der Manager Dienstreisen einschränken und externe Beratungen reduzieren. Und auch bei der Nach- und Neubesetzung von Stellen forciert Kullmann einen Sparkurs. Insgesamt peilt der Vorstandschef Kosteneinsparungen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich an.
Evonik-Aktie: mein Fazit für Sie
Evonik hat sich im dritten Quartal behauptet – vor allem im Vergleich zu den deutschen Wettbewerbern BASF und Covestro. Der Chemiekonzern scheint das Erdgas-Problem besser managen zu können als die Konkurrenz.
Große Fragezeichen gibt es aber mit Blick auf das nächste Jahr. Noch ist völlig unklar, wie tiefgreifend die wohl kommende Rezession in Deutschland ausfallen wird. Die Chemiebranche jedenfalls ist traditionell massiv abhängig von der Konjunkturentwicklung. Entsprechend muss sich Evonik auf hohe Abstriche gefasst machen. Dass das Management nun frühzeitig mit einem Sparprogramm darauf reagiert, ist immerhin positiv zu bewerten.
Der Evonik-Aktie dürfte es in diesem Umfeld schwer fallen, alsbald in eine nachhaltige Aufwärtsbewegung zu wechseln. Auf 12-Monats-Sicht stand das Papier am Dienstagvormittag mit 33 Prozent im Minus (Stand: 08.11.2022, 10:30 Uhr). Vor allem die Angst vor der wohl kommenden Rezession hält den Titel derzeit in Schach.
Auf der anderen Seite hat Evonik gute Voraussetzungen, um nach der Krise operativ wieder auf Kurs zu kommen. Auf langfristige Sicht bleibt die inzwischen günstigere Aktie demnach ein interessantes Investment. Als Anleger sollten Sie allerdings viel Geduld mitbringen und sich von kurzfristigen Rücksetzern nicht aus der Ruhe bringen lassen,