Energiekrise: Kanzler lädt Sozialpartner zum Gespräch

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Die Lage ist bereits dramatisch – und sie spitzt sich weiter zu. In den vergangenen Tagen wurden Warnungen über einen Ausfall russischer Gaslieferungen nach Europa immer lauter.

Deutschland fürchtet russischen Gaslieferstopp

Bereits jetzt strömt weniger Gas durch die Hauptversorgungsleitung Nord Stream 1, ob der Regelbetrieb nach dem Ende der planmäßigen Wartungsarbeiten im Juli wieder aufgenommen werden wird, ist aktuell mehr als fraglich.

Uniper, einer der größten Energieversorger Deutschlands, der neben der Regelversorgung auch einen erheblichen Teil der Gasspeicherkapazitäten betreibt, hat vor wenigen Tagen Alarm geschlagen und verhandelt mit der Bundesregierung über finanzielle Hilfen. Anleger schickten die Uniper Aktie auf eine beispiellose Talfahrt, binnen weniger Stunden büßte das Papier rund ein Fünftel seines Wertes ein.

Totalausfall wird immer wahrscheinlicher

Kurz darauf der nächste Schock: Warnungen vor einem Totalausfall russischer Gaslieferungen werden lauter. Hatten die Handelsbeziehungen im Energiesektor kritische Zeiten des Kalten Krieges unbeschadet überstanden, droht nun das maximale Zerwürfnis zwischen Ost und West. Mehrere EU-Länder werden bereits nicht mehr mit russischem Gas beliefert. Deutschlands enorme Abhängigkeit von russischen Rohstofflieferungen rächt sich nun.

Wladimir Putin gilt spätestens seit dem Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine Ende Februar als unberechenbar. Auf sein Wort ist kein Verlass, stattdessen kann er den staatlich kontrollierten Energiekonzernen wie Gazprom oder Rosneft de facto frei diktieren, wann welche Gasleitung gekappt wird. Wirtschaftliche Verluste für sein eigenes Land scheinen dabei eine untergeordnete Rolle zu spielen, wichtiger sind für Putin seine territorialen Expansionsbestrebungen.

Damit verfolgt der Kreml-Chef eine Politik, von der sich Europa seit dem Ende des 2. Weltkrieges abgewandt zu haben glaubte. Wirtschaftliche Verflechtungen als Friedensgarant haben jahrzehntelang gut funktioniert, nun steht das Konstrukt vor einer existenziellen Zerreißprobe.

Energiepreise lassen Inflation in die Höhe schnellen

Die Folgen des Krieges sind längst auch in Deutschland zu spüren. Die Energiepreise sind in den vergangenen Monaten explodiert, nachdem sie schon im vergangenen Jahr kräftig angezogen hatten. Die Inflation im Euroraum liegt inzwischen bei mehr als 8 Prozent und damit weit über dem Ziel der Europäischen Zentralbank, die eine Teuerungsrate von lediglich 2 Prozent als Garant für Preisstabilität anstrebt.

In Deutschland bekommen Verbraucher die Entwicklung nicht nur über die Stromrechnung oder an der Zapfsäule zu spüren. Auch Lebensmittelpreise sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Die Lebenshaltungskosten insgesamt sorgen für einen Rückgang der Kaufkraft privater Verbraucher.

Konzertierte Aktion zwischen Bund und Sozialpartnern

Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung für diese Woche eine konzertierte Aktion angekündigt. Neben dem Bund sollen sich die Sozialpartner von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften treffen, um Möglichkeiten auszuloten, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Was sich bereits im Vorfeld abzeichnet ist die Bitte an Arbeitnehmervertreter, ihre Lohnforderungen begrenzt zu halten. Als zu groß wird andernfalls die Gefahr einer gefürchteten Lohn-Preis-Spirale angesehen, bei der sich steigende Löhne und höhere Preise wechselseitig weiter befeuern. Das wäre nicht nur makroökonomisch problematisch, sondern auch verheerend für Millionen von Arbeitnehmern, die nicht gewerkschaftlich organisiert und jenseits von Tarifverträgen beschäftigt sind. Schließlich profitieren sie nicht – oder nur sehr indirekt – von entsprechenden Vereinbarungen.

Scholz hofft auf historisch gewachsene Kooperationsbereitschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz verwies auf die historisch gute Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen einerseits und Sozialpartnern andererseits, die die deutsche Wirtschaft schon in früheren Krisenzeiten gestützt hat. Inwieweit es auch diesmal gelingen wird, spürbare Entlastungen auf sozialverträglicher Basis zu entwickeln, ohne dabei eine Seite zu sehr aus dem Blick zu verlieren, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

Dabei kann es sich hinderlich oder auch positiv auswirken, dass in der aktuellen Bundesregierung sowohl die traditionell arbeitnehmerfreundliche SPD als auch die arbeitgebernahe FDP vertreten sind. Im besten Falle gelingt so ein Kompromisspaket, das alle Seiten zufriedenstellt und für ein möglichst hohes Maß an Akzeptanz sorgt.

Umfassendes Maßnahmenpaket erwartet

Schlagworte wie Steuererleichterungen, Einmalzahlungen oder auch ein Preisdeckel für ein festgelegtes Energiebudget kursierten in den vergangenen Tagen in den Medien. Ob sich diese oder ähnlich gelagerte Vorschläge am Ende durchsetzen werden, bleibt abzuwarten. Richtig ist es in jedem Fall, dass die Regierung einen solchen Krisengipfel einberuft, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Denn in einem sind sich wohl alle einig: So wie bisher kann es auf Dauer nicht weitergehen.