Airbus vs. Boeing: Wer hat in diesem Jahr die Nase vorn?
Im ewigen Konkurrenzkampf zwischen Airbus und Boeing haben erneut die Europäer die Nase vorn: Quartalsbilanz, Auftragsbücher, Marktanteil – für den Dax-Konzern läuft es rund, der US-Konkurrent hingegen kämpft weiter mit Problemen.
Quartalsbilanz: Airbus übertrifft Markterwartungen
Bei der Quartalsbilanz konnte Airbus zuletzt die Erwartungen der Analysten übertreffen. Im Zeitraum von Juli bis Ende September verbuchte der deutsch-französische Flugzeugbauer gegenüber dem Vorjahresquartal ein Umsatzplus von 27 Prozent auf 13,3 Milliarden Euro. Analysten hatten hier im Schnitt mit 12,8 Milliarden Euro gerechnet. Ähnlich stark – um 26 Prozent – stieg auch das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern, das Airbus mit zuletzt 836 Millionen Euro ausweisen konnte.
Unterm Strich stand ein Nettogewinn von 667 Millionen Euro nach 404 Millionen Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Experten hatten hier lediglich mit einer Steigerung auf 585 Millionen Euro gerechnet. Der Gewinn je Aktie kletterte um zwei Drittel auf 0,85 Euro (Konsensschätzung: 0,75 Euro je Aktie).
Boeing schwächelt in Q3
Bei Boeing hingegen fällt das Zahlenwerk düster aus. So stieg der Konzernumsatz im zurückliegenden Quartal um magere 4 Prozent auf knapp 16 Milliarden Dollar. Zudem weiten sich die Verluste aus: Nach einem Minus von 132 Millionen Dollar im Vorjahreszeitraum verbuchte Boeing diesmal einen Fehlbetrag von satten 3,3 Milliarden Dollar.
Ausgerechnet das Rüstungsgeschäft – in Kriegszeiten normalerweise ein gutgehendes Geschäft – gab es zuletzt Probleme. In seiner Rüstungs- und Raumfahrtsparte meldet Boeing einen Umsatzeinbruch um 20 Prozent auf 5,3 Milliarden Dollar.
Air Force One zum Schleuderpreis könnte sich rächen
Technische Probleme, gestiegene Kosten und anhaltende Lieferengpässe bremsen Boeing in diesem Bereich aus. Selbst ein vermeintliches Prestigeprojekt wird für Boeing zum Problemfall: 2018 vereinbarte der Konzern mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump den Bau zweier neuer Präsidentenmaschinen, die berühmte Air Force One. Doch der damalige Boeing-Chef Dennis Muilenburg ließ sich von Geschäftsmann Trump dazu verleiten, einen günstigen Festpreis zu garantieren – maximal 4 Milliarden Dollar sollte das Projekt kosten.
Schon damals hatten Beobachter moniert, dass ein solcher Preis kaum zu halten sein würde – und sie sollten Recht behalten, wie Dave Calhoun, heutiger Boeing-Chef, nun zugeben musste. Die Kosten laufen aus dem Ruder.
Auch in Deutschland ist es gängige Praxis, dass in öffentlichen Vergabeverfahren die Kosten erst einmal kleingerechnet werden und sich Bauvorhaben wie etwa die Elbphilharmonie oder der Hauptstadtflughafen BER am Ende um ein Vielfaches verteuern – nur dass hier der öffentliche Auftraggeber, also der Steuerzahler, am Ende die Zeche zahlt. Boeing dagegen bleibt auf seinen Mehrkosten für die Air Force One offenbar sitzen.
A320 schlägt 737 Max
Daneben erweist sich der Unglücksflieger 737 Max als Ladenhüter. Nach zwei Abstürzen mit insgesamt mehr als 300 Todesopfern und fast zweijährigem Zwangsgrounding der gesamten Flotte konnte Boeing durch technische Nachbesserungen zwar inzwischen die Betriebserlaubnis zurückerlangen und auch einige Aufträge an Land ziehen. Doch im Vergleich zum Konkurrenzjet der Europäer, dem A320neo, fällt die Nachfrage deutlich geringer aus: Einer Branchenstudie zufolge entfallen derzeit etwa 61 Prozent der Aufträge für Jets dieser Größenordnung auf den Airbus, nur 39 Prozent der Aufträge gehen an Boeing.
Auch mit Blick auf die Auslieferungszahlen hat Airbus klar die Nase vorn. Zwar kann der Konzern das ursprünglich angepeilte Jahresziel von 720 Flugzeuglieferungen für dieses Jahr nicht halten, bereits vor einigen Monaten hat der Vorstand das Ziel gekappt und auf 700 Jets heruntergeschraubt. Hintergrund waren vorrangig Probleme in den globalen Lieferketten.
Airbus hält an Auslieferungsziel fest
Bis Ende September hatte Airbus erst 437 Maschinen an die Kundschaft übergeben, dennoch wurde das Jahressoll im Zuge der Bilanzpräsentation noch einmal bekräftigt. Boeing hinkt hier seit Jahren hinterher – und wird immer wieder auch durch technische Probleme zurückgeworfen. Nach den massiven Schwierigkeiten bei der 737 Max machte zuletzt auch der Dreamliner, Typ 787, Probleme.
Zuletzt konnte Boeing den deutsch-französischen Konkurrenten im Jahr 2018 minimal übertreffen, was die Auslieferungen betrifft: Damals verließen 800 Jets die Airbus-Werke, während Boeing sechs Maschinen mehr an die Airlines übergeben konnte. Kurz danach wurde die 737 Max-Flotte stillgelegt, der Absatz von Boeing brach im Folgejahr ein auf nur noch 380 Flugzeuge. Airbus hingegen steigerte sich im Jahr 2019 auf einen Auslieferungsrekord von 863 Jets, ehe die Corona-Pandemie auch den europäischen Luftfahrtkonzern ausbremste.
Neue Großaufträge für beide Hersteller
In den Jahren 2020 und 2021 lieferte Airbus noch 566 beziehungsweise 611 Maschinen aus, Boeing kam auf lediglich 157 und 340 Flugzeugübergaben. Bei Airbus ist man fest entschlossen, den bestehenden Vorsprung weiter auszubauen. So soll die Montage der Modellfamilie A320 im kommenden Jahr trotz bestehender Lieferkettenprobleme deutlich ausgeweitet werden. Erklärtes Ziel ist es, dass Anfang 2024 jeden Monat 65 Flugzeuge dieses Typs das Werk verlassen. Zum Vergleich: Ende 2022 werden es voraussichtlich 50 Jets aus der A320-Familie sein.
Erst vor wenigen Tagen konnte sich Airbus zudem einen neuen Großauftrag sichern: Im Zuge des China-Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz wurde ein Kaufvertrag für insgesamt 140 Airbus-Jets unterzeichnet, die meisten davon aus der A320-Reihe. Für Boeings 737 Max interessierte sich zuletzt die Fluggesellschaft Alaska Air und gab eine Bestellung über 52 Maschinen dieses Typs ab.
Aktien im Aufholmodus: Mehr als 20 Prozent Gewinn binnen Monatsfrist
Dennoch konnten sich Anleger in den vergangenen Wochen bei beiden Papieren über kräftige Kursgewinne freuen. Sowohl die Aktien von Airbus als auch die von Boeing legten binnen Monatsfrist um fast ein Viertel zu. Die Boeing Aktie notiert damit noch etwa 10 Prozent unter dem Kurs von Anfang Januar, während die Airbus Aktie nach turbulentem Auf und Ab nahezu das Niveau vom Jahresbeginn wieder erreichen konnte.
Analysten bekräftigten zuletzt sowohl ihre Kaufempfehlungen wie auch ihre Kursziele für die Airbus Aktie, die sich häufig in einer Spanne zwischen 133 Euro (Deutsche Bank) und 155 Euro (Barclays) bewegen. Deutlich angehoben wurde das Kursziel hingegen durch die US-Großbank JP Morgan, die nach 155 Euro nunmehr 185 Euro als faire Bewertung für die Airbus Aktie angibt. Zum Wochenauftakt war das Papier für rund 114 Euro zu haben.
Mit Blick auf Boeing fallen die Einschätzungen insgesamt zurückhaltender aus. Hier hat JP Morgan zuletzt im Oktober das Kursziel gesenkt von 200 auf 180 Dollar, die Kaufempfehlung aber beibehalten. Goldman Sachs bekräftigte hingegen nicht nur die Kaufempfehlung, sondern auch das Kursziel von 281 Dollar für die Boeing Aktie. Deutlich pessimistischer positionierten sich die Analysten der Schweizer Credit Suisse: Zwar hoben auch sie ihr Kursziel an von 98 auf 121 Dollar, bestätigten zugleich aber die Einstufung „underperform“. Die Boeing Aktie kostete am Montag rund 167 Dollar.