Deutschland: Steht die geplante TSMC-Fabrik auf der Kippe?
Egal ob AMD, Nvidia, Apple oder Qualcomm: Die meisten großen Hardware-Konzerne vertrauen bei ihren Halbleitern auf die Dienste des Auftragsherstellers TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) aus Taiwan.
Warum TSMC der wichtigste Konzern der Welt ist
Aber schauen Sie selbst: Nach Daten von „trendforce.com“ lag der Marktanteil der Taiwanesen im Sektor der Chip-Foundrys (Auftragshersteller für andere Halbleiterfirmen) im vierten Quartal 2022 bei beachtlichen 58,5 Prozent. Zum Vergleich: Der zweitgrößte Player in diesem Bereich, Samsung, schaffte es demnach nur auf 15,8 Prozent. Dahinter folgten UMC (6,3 %) und GlobalFoundries (6,2 %).
Viele Experten sehen in TSMC den wichtigsten Konzern der Welt, obwohl er in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Mehr als jeder zweite weltweit eingebaute Halbleiter stammt von diesem Unternehmen. Zudem beherrscht TSMC die innovativsten und hochkomplexesten Produktionsverfahren. Das Computer- und Smartphone-Zeitalter, aber auch die moderne Autobranche oder die Industrie als Ganzes wären ohne die Taiwanesen nicht vorstellbar.
Fabrik-Projekt in Deutschland offenbar mit Hürden
Da verwundert es kaum, dass viele Staaten derzeit um TSMC buhlen und versuchen, die Produktion der Taiwanesen an Land zu ziehen. Darunter: Deutschland. Der Chip-Auftragshersteller prüft aktuell den Bau einer gigantischen Fabrik in der Bundesrepublik – genauer gesagt in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden.
Doch jetzt von einem einfachen Projekt zu sprechen, wäre ein Euphemismus. Denn: Offenbar gibt es für die Taiwanesen Hürden am Standort Deutschland. Auf einer Investorenveranstaltung musste TSMC-Verwaltungsratsboss Mark Liu vor wenigen Tagen Herausforderungen rund um die geplante Gigafactory in Dresden einräumen.
Der Manager sieht demnach erhebliche Lücken bei zwei entscheidenden Faktoren: den Lieferketten in Deutschland und der Verfügbarkeit von Fachkräften. Mark Liu regte deshalb an, deutsche Studenten gezielt nach Taiwan zu schicken, um dort fachgerecht in den jeweiligen Disziplinen ausgebildet zu werden.
Wie tief muss der deutsche Steuerzahler in die Tasche greifen?
Darüber hinaus gibt es laut dem Manager immer noch keine finale Entscheidung vonseiten des deutschen Staates, wie die Fördersumme für eine solche Fabrik konkret aussehen würde. Er hoffe jedenfalls, dass keine Bedingungen daran geknüpft würden.
Zum Vergleich: Der US-Konzern Intel, der in Magdeburg ebenfalls eine neue Chip-Fabrik hochziehen will, fordert vom deutschen Staat Finanzhilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro. Bisher wurden den Amerikanern allerdings nur 6,8 Milliarden Euro vom Bund zugesagt. Intel begründet die beachtlichen Forderungen unter anderem mit den enormen Bauauflagen in Deutschland und den hierzulande hohen Arbeitskosten.
Bei der möglichen TSMC-Fabrik in Dresden dürfte sich die Investitionssumme insgesamt auf rund zehn Milliarden US-Dollar belaufen. Wie viel davon auf TSMC, dessen Partner und den deutschen Steuerzahler entfallen würde, bleibt nun abzuwarten.
Immerhin: TSMC-Manager Mark Liu zeigte sich zuletzt durchaus optimistisch, dass die Mega-Fabrik der Taiwanesen trotz der Herausforderungen tatsächlich umgesetzt werden kann. Frühestens im August soll es hierzu eine finale Entscheidung geben.
Infineon und Bosch sollen offenbar mitmischen
Branchenkennern zufolge würden übrigens auch deutsche Akteure am Bau beteiligt werden: darunter der Mischkonzern Bosch und Deutschlands wichtigster Halbleiterhersteller Infineon. Tatsächlich könnten die Deutschen auch nach der Fertigstellung in der (möglichen) Fabrik eine große Rolle spielen.
Denkbar wäre gar, dass TSMC den Betrieb der Gigafactory an die deutschen Firmen auslagern könnte. Infineon etwa könnte dann unter Anweisung von TSMC und über dessen Lizenzvergabe die Halbleiter im Stile der Taiwanesen produzieren. Dadurch würde TSMC sein Investitionsrisiko maßgeblich verringern.
Warum TSMC derzeit kriselt
Apropos Investitionsrisiko: Der taiwanesische Konzern hatte zuletzt eine Reduzierung seiner weltweiten Ausgaben angekündigt. Demnach sollen die Investitionen im laufenden Jahr am unteren Ende der Spanne von 32 bis 36 Milliarden Dollar liegen. Das wäre natürlich immer noch beachtlich, aber weniger als der Kapitalmarkt erhofft hatte.
Gleichzeitig musste Mark Liu auf der jüngsten Hauptversammlung einräumen, dass die Umsätze im ersten Halbjahr 2023 um etwa ein Zehntel zurückgehen werden. TSMC leidet derzeit unter der allgemeinen Zurückhaltung der Endverbraucher beim Kauf neuer Elektronikprodukte und der überraschend schwachen Erholung Chinas nach dem Ende der dortigen No-Covid-Politik.
Der Verwaltungsratschef sieht aber für das zweite Halbjahr eine Erholung, weshalb die Erlöse im Gesamtjahr „nur“ im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich sinken würden. Für 2024 erwartet Mark Liu dann wieder ein Wachstum.
Im Folgenden sehen Sie die ansonsten sehr starke Umsatz- und Gewinnentwicklung von TSMC in den letzten Jahren (in Taiwan-Dollar):
Quelle: www.aktienscreener.com
TSMC-Aktie: Mega-Potenzial im Schatten des Taiwan-Konflikts
Sie dürfen gespannt sein, wie es mit dem TSMC-Projekt in Dresden weitergehen wird. Ruft man sich den enormen aktuellen und künftigen Bedarf der deutschen Industrie im Bereich der Halbleiter ins Gedächtnis und berücksichtig die geopolitischen Risikofaktoren, ist die Umsetzung des Vorhabens durchaus realistisch – wenngleich der deutsche Steuerzahler hierfür erneut wohl sehr tief in die Tasche greifen muss.
Aber auch abgesehen davon ist die TSMC-Aktie meiner Meinung nach langfristig ein hochinteressanter Titel, der Ihnen immer noch Renditepotenzial bietet. So liegt das durchschnittliche Kursziel der Analysten rund 15 Prozent über dem Kursniveau vom 6. Juni. Die Taiwanesen sind für die moderne Wirtschaft eine unverzichtbare Grundsäule und werden das auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wohl bleiben.
Allenfalls eine mögliche chinesische Invasion in Taiwan könnte diese Erfolgsgeschichte abrupt beenden. Umso mehr wäre TSMC gut beraten, sicherheitshalber Assets etwa nach Europa zu verlagern. Behalten Sie das als Anleger trotz der horrenden Chancen im Hinterkopf.