Wirecard: Neue Hoffnung auf Entschädigung für Aktionäre?

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Es war eine spektakuläre Pleite und ein beispielloser Wirtschaftsskandal: Das hochgelobte Fintech-Unternehmen Wirecard hatte derart umfassend gelogen und betrogen, dass bis heute einige hochrangige Manager mit internationalem Haftbefehl gesucht werden und untergetaucht sind.

Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann

Übrig blieb ein Scherbenhaufen: Das Image einstiger Unterstützer und Wegbereiter des Unternehmens wurde beschädigt, der Ruf des Finanzplatzes Deutschland ebenso – und zahlreiche Gläubiger blieben auf ihren Forderungen sitzen. Das ist zumindest bis heute Stand der Dinge. Denn abgeschlossen sind die Verfahren noch längst nicht: In langwierigen Gerichtsverfahren muss nun herausgearbeitet werden, wem wie viel zusteht aus der verbliebenen Insolvenzmasse.

Es ist ein heikles Unterfangen. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass die Rechnung nicht aufgehen kann: Insgesamt wurden im Rahmen des Insolvenzverfahrens Forderungen in Höhe von 15,4 Milliarden Euro angemeldet. Laut Insolvenzverwalter Michael Jaffe stehen jedoch nur rund 650 Millionen Euro zur Verfügung, um die Gläubiger zu bedienen.

Haben Aktionäre Anspruch auf Entschädigung?

Zu ihnen zählen Geldgeber wie Banken, aber auch ehemalige Angestellte von Wirecard. Unklar ist hingegen, was mit den Ansprüchen der rund 52.000 Aktionäre geschehen wird, die Schadenersatzansprüche geltend machen wollen. Der Insolvenzverwalter sieht ihre Forderungen nachrangig. Das Oberlandesgericht München hat ihnen aber nun vor wenigen Tagen den Status als Gläubiger zuerkannt – wegen der jahrelangen Täuschung durch den Wirecard-Vorstand gegenüber der Öffentlichkeit und den Anlegern.

Juristisch ist die Frage heikel und umstritten. Denn im Gegensatz zu Angestellten oder Geldgebern haben die Aktionäre keine Leistungen erbracht, die nicht bezahlt wurden, sondern gelten stattdessen als Anteilseigner des Unternehmens. So hat es vor rund 2 Jahren auch das Landgericht München I gesehen, das die Ansprüche auf Entschädigung wegen erlittener Kursverluste der Wirecard Aktie zurückgewiesen hatte. Die OLG-Entscheidung, die nun gefällt wurde, also die nächsthöhere Instanz, widersprach dieser Auffassung insofern, als es die arglistige Täuschung seitens des Wirecard-Managements anerkannte als Grundlage für Schadenersatzansprüche der Aktionäre, die Fondsgesellschaft Union Investment mit ihrer Klage geltend machen wollte. Es gilt als sicher, dass die Entscheidung letztlich vor dem Bundesgerichtshof landen wird.

Skandal zog weite Kreise – peinlich auch für Wirtschaftsprüfer von EY

Daneben laufen noch gleich mehrere weitere Gerichtsprozesse rund um den Wirecard-Skandal, der auch viereinhalb Jahre danach noch längst nicht vollständig aufgearbeitet ist. Das Dax-Unternehmen war im Juni 2020 kurzfristig und überraschend in sich zusammengefallen, nachdem publik wurde, dass in großem Stile die Bilanzen gefälscht wurden.

Tatsächlich sollen rund 1,9 Milliarden Euro, die in den Bilanzen ausgewiesen wurden, nie existiert haben. Pikant wurde der Fall auch für die Wirtschaftsprüfer von EY, die die gefälschten Bilanzen mehrfach durchgewunken hatten, offenbar ohne tatsächlich genauer zu prüfen.

Lehren aus Wirecard-Skandal: Deutsche Börse beschließt neue Regeln für Dax-Konzerne

Der Fall hat weitreichende Kreise gezogen und auch am Frankfurter Börsenparkett seine Spuren hinterlassen. Nach der Pleite lief die praktisch wertlose Wirecard Aktie noch wochenlang weiter mit im Dax, weil die Regularien einen solchen Fall schlicht nicht vorgesehen hatten. In der Folge wurden die Kriterien für Dax-Konzerne mehrfach angepasst und verschärft, um vergleichbare Peinlichkeiten in der Zukunft zu vermeiden.

Unternehmen, die neu in den Dax aufgenommen werden, müssen in den zwei Jahren zuvor Gewinne ausgewiesen haben und über einen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat verfügen. Um eine „tote“ Aktie wie die von Wirecard nicht länger mitschleifen zu müssen, gilt außerdem die Regel: Wer seine Bilanz nicht fristgemäß vorlegt, fliegt raus, und zwar innerhalb von wenigen Werktagen.