Wie Corona die Weltwirtschaft verändert
Die Globalisierung kennt keine Grenzen – zumindest für den internationalen Warenverkehr. Die Handelsbeziehungen sind seit Jahren darauf programmiert, weltweite Lieferketten sicherzustellen.
Produktionsstätten in Europa oder den USA verlassen sich darauf, zentrale Komponenten aus Asien „just in time“ und jederzeit geliefert zu bekommen und umgekehrt. Gerät hier Sand ins Getriebe, kommt schnell ein ganzer Wirtschaftszweig ins Stocken.
Wie anfällig das System ist, wird zurzeit mit Blick auf das Coronavirus mehr als deutlich: Apple und andere Unternehmen warnen vor Lieferengpässen und Absatzeinbußen, streichen ihre Jahresprognosen zusammen oder kassieren diese gleich ganz.
Nachhaltige Auswirkungen
Gerade in China, wo ganze Regionen wochenlang abgeriegelt wurden, machen sich die Ausfälle bemerkbar – mit Auswirkungen auf die fein austarierten, exakt abgestimmten globalen Lieferketten, die auf einmal nicht mehr funktionieren.
Wenn an einem Ende der Welt die Produktionsbänder stillstehen, greift das schnell um sich. Immer mehr Beobachter rechnen deswegen damit, dass die Coronakrise und ihre Auswirkungen nachhaltige Folgen für das gesamte Wirtschaftssystem haben könnten.
Regionalisierung statt Globalisierung?
Vorstellbar wären etwa wieder stärker regional konzentrierte Produktionsabläufe. Unternehmen könnten beispielsweise in Europa für den europäischen Markt, in den USA für den amerikanischen Markt und in China für den asiatischen Markt produzieren. Auf diese Weise wären viren- oder auch umweltbedingte Einflüsse regional begrenzt. In den Bilanzen der Konzerne würde eine Region schwächeln, ohne dass die anderen davon zwangsläufig direkt ebenso betroffen wären.
Die Realisierbarkeit solcher Unterfangen ist jedoch stark abhängig vom jeweiligen Produkt. Unternehmen wie Adidas dürften kaum Probleme haben, Textilproduktionen regional zu verschieben. Bei technischen High-Tech-Produkten sieht das schon wieder anders aus – gerade wenn hier Spezialkomponenten verbaut werden, die häufig an Patente geknüpft sind.
Es fehlt ein Plan B
Inwieweit eine weniger globalisierte Ausrichtung von Produktions- und Lieferketten also tatsächlich künftig zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass die Unternehmen reagieren werden: Zu sehr wurden sie durch die Corona-Epidemie auf dem falschen Fuß erwischt. Zu sehr wird ihre Abhängigkeit vom Funktionieren der globalen Vernetzung sichtbar, und damit ihre vielleicht größte Verwundbarkeit.
Bislang gibt es bei den meisten Konzernen offenbar keinen Plan B, der in einem solchen Fall greifen würde. Zumindest das könnte sich künftig ändern. Denn die wirtschaftlichen Einbußen sind, soviel zeichnet sich bereits jetzt ab, erheblich: Zwar lässt sich das vollständige Ausmaß noch nicht vorhersagen, doch immer mehr Unternehmen rechnen damit, dass sich die negativen Folgen auch im Jahresverlauf nicht gänzlich werden ausbügeln lassen.
Mit welcher Wucht Corona auf die Weltwirtschaft durchschlagen wird, lässt sich wohl frühestens in den Halbjahresbilanzen erahnen, da etliche Folgen erst im weiten Quartal erwartet werden. An den Börsen hingegen hat die Krise schon jetzt Milliarden verbrannt: Die Februar-Schlusswoche zählte weltweit zu den verlustreichsten der Geschichte.