Lieferkettengesetz: Muss VW nun doch aus Xinjiang weichen?

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Das Lieferkettengesetz wirft seine Schatten voraus. Im März hatte die Bundesregierung das Gesetz nach langer Vorbereitungsphase auf den Weg gebracht, final abgestimmt wird darüber nun aber doch nicht mehr in dieser Woche, sondern voraussichtlich erst in der kommenden Woche.

Lieferkettengesetz soll bald verabschiedet werden

Minister der verschiedenen Koalitionspartner zeigten sich trotz der vertagten Abstimmung jedoch zuversichtlich, das Gesetz noch in der laufenden Legislaturperiode umzusetzen. Konkret geht es bei der Verzögerung darum, eine von der Union gewünschte Kompromissformel einzubauen, die eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen ausschließen soll.

Das Lieferkettengesetz sieht vor, dass deutsche Unternehmen nicht nur bei den eigenen Beschäftigten, sondern auch in den Reihen der Zulieferer auf die Einhaltung von Umweltschutzvorgaben und Menschenrechten zu achten haben. Wer dagegen verstößt, kann mit einem empfindlichen Bußgeld belegt werden – bei großen Unternehmen werden bis zu 2 Prozent des jährlich erwirtschafteten Umsatzes fällig. Zudem droht ein vorübergehender Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen.

Problem: Chinas Provinz Xinjiang

Laut einem aktuellen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages könnte das auch für etliche Dax-Unternehmen zum Problem werden. Viele von ihnen unterhalten Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang. In der chinesischen Provinz wird die muslimische Minderheit systematisch unterdrückt und ausgebeutet. Die Menschen, die ethnisch vor allem den Uiguren oder Kasachen zuzuordnen sind, werden in speziellen Lagern gefangen gehalten und teilweise zur Zwangsarbeit gezwungen, so zumindest lautet der weitgehende internationale Konsens, der durch Berichte von Menschenrechtsorganisationen gestützt wird.

Die chinesische Regierung hat die Existenz solcher Lager inzwischen eingeräumt, die Vorwürfe der Unterdrückung jedoch zurückgewiesen. Stattdessen handle es sich um Ausbildungszentren, so eine Erklärung der chinesischen Propagandaabteilung. Da dieser Darstellung jedoch wenig Glauben geschenkt wird, dürften deutsche Unternehmen, die in der Region aktiv sind, mit dem Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes unter Zugzwang geraten.

China-Geschäft vieler Dax-Konzerne auf der Kippe

Konkret betroffen sind unter anderem große Namen aus der Dax-Familie, darunter der Sportartikelhersteller Adidas, der Chemieriese BASF, der Industriekonzern Siemens sowie die Autobauer BMW und Volkswagen. Kritikern zufolge profitieren sie – direkt oder indirekt – von der Ausbeutung der Uiguren in Xinjiang und könnten sich demzufolge zum Rückzug gezwungen sehen, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Das ist für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten für 2023 geplant, ab 2024 sind auch Firmen ab einer Belegschaft von 1.000 Mitarbeitern mit eingeschlossen.

Wirtschaftsverbände kritisierten das Lieferkettengesetz bereits im Vorfeld scharf, auch aus der VW-Zentrale in Wolfsburg war immer wieder Kritik laut geworden. Gerade für die Autobauer ist China seit Jahren einer der wichtigsten Absatzmärkte überhaupt und verspricht auch für die Zukunft erhebliches Wachstumspotenzial.

Wegweisende Weichenstellung: Geld oder Moral?

Zudem haben auch chinesische Investoren ihren wirtschaftlichen Einfluss in Europa in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut. Gesetzliche Hürden, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit einseitig erschweren, könnten wiederum Gegenreaktionen aus Peking nach sich ziehen.

Deutschland und die Europäische Union stehen somit vor einer richtungsweisenden Weichenstellung: Wirtschaftlicher Aufschwung oder Wahrung von Menschenrechten, Geld oder Moral? Die selbsternannte Wertegemeinschaft wird sich entscheiden und positionieren müssen, insbesondere, wenn die EU als Akteur auf der internationalen Bühne an Gewicht gewinnen will.