Herbstgutachten: Schwache Wirtschaft, starker Dax

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Es waren auf den ersten Blick recht gegensätzliche Meldungen, die am gestrigen Donnerstag für Schlagzeilen in den Wirtschaftsressorts gesorgt haben: Auf der einen Seite haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Herbstprognose vorgelegt und dabei ihre Erwartungen vom Frühjahr deutlich nach unten korrigiert. Zum anderen hat der Dax fast zeitgleich ein neues Allzeithoch markiert.

Deutschland in der Rezession: Rückläufiges BIP erwartet

Konkret gehen die Ökonomen davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Im Frühjahr war man noch von einem minimalen Wachstum um 0,1 Prozent ausgegangen, nachdem das Bruttoinlandsprodukt bereits im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen war. Auch für das kommende Jahr dämpften sie die Erwartungen deutlich: Anstelle der bislang erwarteten 1,4 Prozent Wachstum erwarten die Experten nun lediglich eine Steigerung des BIP um 0,8 Prozent im Jahr 2025.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland hat dabei an verschiedenen Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Der Binnenmarkt ächzt durch die zurückhaltende Konsumlaune vieler Verbraucher. Nach Jahren der rasanten Inflation halten sie ihr Geld nun vermehrt zusammen anstatt es auszugeben. Zugleich verschärft sich für die Exporteure der internationale Wettbewerb. Vor allem Unternehmen aus China machen den hiesigen Konzernen zunehmend Konkurrenz.

Wirtschaftsforscher warnen vor strukturellen Problemen

Alarmierend ist in der aktuellen Stellungnahme der Wirtschaftsforscher, dass es sich bei der derzeitigen Rezession nicht etwa um einen normalen Zyklus im Auf und Ab der Wirtschaftsentwicklung handelt. Vielmehr stehen etliche Schlüsselindustrien in Deutschland vor strukturellen Problemen: Der demografische Wandel und der sich dadurch verschärfende Fachkräftemangel, schwache Investitionen, hohe Energiepreise, enormer Bürokratieaufwand und vergleichsweise hohe Steuern machen den Konzernen zu schaffen im internationalen Wettbewerb.

Die Wirtschaftsforscher fordern daher eine Überprüfung der derzeitigen Förder- und Subventionspraxis, einen rascheren Bürokratieabbau und würden auch gern die strikte Einhaltung der Schuldenbremse zur Diskussion stellen, an der Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP bislang unbeirrt festhalten will. Eingeführt wurde das Instrument im Zuge der globalen Finanzkrise vor gut einem Jahrzehnt – damals war die Lage eine völlig andere, mehrere Euro-Länder standen vor der Staatspleite und strengere Schuldenregeln waren für die Währungsunion ein Gebot der Stunde. Das sieht heute, nach Pandemiejahren und Energiepreisschock nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sowie daraus resultierender Inflation in den vergangenen Jahren, ganz anders aus.

Schlechte Stimmung, wenige Lichtblicke

Wie schlecht die Stimmung im Land ist, lässt sich auch an verschiedenen Barometern ablesen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex hat sich zuletzt noch einmal eingetrübt und auch das Konsumklima der privaten Verbraucher schwächelt. Aktuelle Schlagzeilen rund um tiefgreifende – und für Arbeitnehmer womöglich schmerzhafte – Sparmaßnahmen und Einschnitte bei Großkonzernen wie Volkswagen oder nun auch BASF sorgen zusätzlich für Verunsicherung.

Doch es gab auch einige wenige Lichtblicke im Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher. So werten sie positiv, dass sich das Inflationsniveau inzwischen wieder rund um die Zielmarke von 2 Prozent eingependelt hat. Zudem entwickelte sich der Dienstleistungssektor zuletzt etwas stärker. Mit Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote rechnen die Experten im laufenden wie auch im kommenden Jahr mit rund 6 Prozent, danach jedoch mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen.

Anleger reagieren auf Vorgaben aus Asien

Angesichts derart geballter schlechter Nachrichten erscheint es auf den ersten Blick paradox, dass fast zur selben Zeit der Dax in Frankfurt ein neues Allzeithoch einfahren konnte. Hintergrund war ein Wachstumspaket, das die Volksrepublik China auf den Weg gebracht hat und von dem Deutschland als Exporteur profitieren dürfte. Auch die Börsenvorgaben von asiatischen Märkten waren stark und sorgten für Schwung am Parkett.

Nicht zuletzt verweisen Börsianer jedoch auch auf eine ordentliche Portion Zinssenkungsphantasie in den aktuellen Höhenflügen im Leitindex: Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US-Währungshüter der Federal Reserve haben zuletzt die Leitzinsen abgesenkt, und das zum Teil in größerem Umfang als allgemein erwartet worden war.

Dax markiert trotz allem neues Allzeithoch

Mit den Zinserhöhungen der Vergangenheit hatten die Zentralbanken auf die galoppierende Inflation reagiert und diese – mit etwas zeitlicher Verzögerung – nun erfolgreich eingedämmt. Mit Zinssenkungen wiederum reagieren sie auf ein schwaches wirtschaftliches Umfeld und versuchen, Investitionen attraktiver zu machen und die Wirtschaft anzukurbeln – ganz im Sinne der Anleger, die in Niedrigzinsphasen bekanntlich besonders kräftig am Aktienmarkt zugreifen.

Der Dax übersprang zwischenzeitlich die Marke von 19.250 Zählern und ging am Ende mit einem Plus von 1,7 Prozent und rund 19.238 Punkten aus dem Donnerstagshandel. Seit Beginn des Jahres liegt der Leitindex damit knapp 15 Prozent im Plus.