EZB hebt Leitzins an – Dax rutscht ins Minus
Und sie bewegt sich doch: Nach monatelangem Zögern und Zaudern hat sich die Europäische Zentralbank nun wie erwartet bei ihrer Juli-Sitzung dazu durchgerungen, den Leitzins für die Eurozone zu erhöhen und damit die langersehnte Zinswende einzuleiten.
Nun also doch: EZB will Inflation bekämpfen
Um der seit Monaten galoppierenden Inflation geldpolitisch etwas entgegenzusetzen, hoben Europas Währungshüter den Leitzins nun an – und das gleich kräftig von Null auf satte 0,5 Prozent. Angekündigt hatte die EZB vorab lediglich eine Anhebung um 25 Basispunkte, wobei an den Märkten bereits in den vergangenen Wochen Stimmen lauter geworden waren, die dies als zu wenig ansahen. Nun also doch ein beherzter Schritt, zu dem sich die Euro-Banker aber lang haben hintragen lassen.
Die Auffassung von EZB-Chefin Christine Lagarde vom vergangenen Herbst, wonach es sich bei der hohen Inflation um ein eher kurzfristiges Phänomen handele, das sich binnen weniger Monate von selbst erledigt haben würde, hat sich als fatale Fehleinschätzung erwiesen. Stattdessen haben sich die Preise in diesem Jahr immer weiter in die Höhe geschraubt, die Inflation liegt mit mehr als 8 Prozent auf dem höchsten Niveau seit gut 40 Jahren.
Fed war früher dran: Zinswende bereits im März eingeleitet
Die US-Notenbanker haben das früher erkannt als ihre europäischen Kollegen. Dementsprechend hat die Federal Reserve um ihren Chef Jerome Powell die dortige Zinswende bereits im März eingeläutet. Dass sich die EZB danach noch mehrere Monate Zeit ließ, wurde von Ökonomen zuletzt scharf kritisiert.
Mit der ersten Zinsanhebung seit 11 Jahren hat die EZB ihren Kurs nun also ebenfalls korrigiert – und bereits weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Demnach sollen in den kommenden Monaten von Sitzung zu Sitzung und entsprechend der jeweils aktuellen Datenlage Entscheidungen getroffen werden, ob und wie umfassend der Leitzins steigen soll.
Drahtseilakt zwischen Inflation und Rezession
Dabei befinden sich die Notenbanker in einer schwierigen Lage: Einerseits ist es ihre Aufgabe, für Währungsstabilität zu sorgen und die Inflation im Zaum zu halten. Eine Teuerungsrate von 2 Prozent gilt als Ziel. Auf der anderen Seite ist die Wirtschaft im Euroraum stark angeschlagen nach zwei Jahren Pandemie, Problemen in den Lieferketten und bei der Material- und Rohstoffbeschaffung sowie immens gestiegenen Energiekosten.
Greift die EZB zu hart durch, könnte das die Wirtschaft abwürgen. Beobachter gehen jedoch gerade mit Blick auf die angespannte Lage am Energiemarkt ohnehin davon aus, dass sich eine Rezession wahrscheinlich kaum verhindern lässt – fraglich ist nur, wie heftig sie ausfällt und wie lange sie andauert.
Dax schließt mit leichten Verlusten
Das beherzte Eingreifen folgt auf ein Jahrzehnt der ultralockeren Geldpolitik: Zinsen auf Null, wer zu viel spart, zahlt drauf und zusätzlich werden immer wieder Milliardenbeträge über Anleihekaufprogramme in die Märkte gepumpt. Das billige Geld landete zu einem nicht unerheblichen Teil in den Aktienmärkten, dort ging es für Dax und Co. jahrelang bergauf. Die Rekordjagd dürfte in diesem Jahr ein jähes Ende gefunden haben.
Obwohl die Zinsanhebung der EZB gefordert und erwartet worden war, schickten Anleger den Dax am Donnerstag ins Minus. Zwischenzeitliche Verluste konnten im Handelsverlauf aber eingegrenzt werden, sodass der Leitindex letztlich mit einem Minus von knapp 0,3 Prozent bei 13.246 Punkten aus dem Handel ging.