Deutschlands BIP wächst – aber langsam
Die Zahlen für die ersten drei Quartale waren bereits bekannt, insofern war keine allzu große Überraschung zu erwarten, als das Statistische Bundesamt diese Woche die Gesamtzahlen für 2019 vorlegte.
Um 0,6 Prozent ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt demnach im vergangenen Jahr gewachsen. Man kann diese Zahl auf den ersten Blick positiv wie negativ deuten: Immerhin verbucht die Bundesrepublik damit das zehnte Wachstumsjahr in Folge, allerdings mit dem schwächsten Zuwachs der letzten sechs Jahre.
Schlüsselindustrien unter Druck
Beim Blick in die Details allerdings überwiegen die negativen Aspekte. Etliche Schlüsselbranchen des Landes ächzten im vergangenen Jahr. Es traf die Automobilindustrie ebenso wie die Chemiekonzerne, aber auch im Bereich Elektro und Maschinenbau herrschte Flaute.
Ein Teil der Probleme ist hausgemacht oder branchenspezifisch, etwa die Nachwehen des Dieselskandals oder die Umstellung auf neue Antriebsformen im Automobilsektor. Doch es gab darüber hinaus auch externe Faktoren, die sich für die deutschen Exportindustrien zur Belastung entwickelten, allen voran der Handelsstreit zwischen den USA und China sowie die Verunsicherungen rund um den Brexit.
Baubranche boomt
Beides sorgte für Verunsicherung und ein Ausbleiben von Investitionen an unterschiedlichen Stellen und macht sich daher nun auch in Deutschlands Konjunkturkurve negativ bemerkbar. Dass es dennoch für einen leichten Anstieg reichte, ist vor allem dem privaten Konsum geschuldet – und dem Boom in der Baubranche.
Gerade die Metropolregionen kämpfen seit Jahren mit einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage am Wohnungsmarkt, auf eine leerstehende Immobilie kommen zig potenzielle Interessenten. Das treibt Kauf- und Mietpreise in die Höhe und sorgt auf der anderen Seite dafür, dass neuer Wohnraum aus dem Boden gestampft wird – genau davon profitiert der Bausektor. Ein Ende des Trends ist nicht in Sicht, auch in den kommenden Jahren dürfte weiterhin viel Neubau entstehen.
Der private Konsum als tragende Säule des Wirtschaftswachstums ist hingegen fragiler, gerade wenn es den Unternehmen aus den genannten Schlüsselindustriezweigen nicht gelingt, wieder in besseres Fahrwasser zu gelangen. Durch die eng verwobenen Handelsketten mit zahlreichen Zulieferbetrieben hängen unzählige Arbeitsplätze am Erfolg der großen Player am Markt. Geraten sie in Schieflage, hat das direkte Auswirkungen auf die Beschäftigten – und somit auch auf ihr Konsumverhalten.
Entspannung oder Eskalation – was bringt 2020?
Für das neue Jahr zeichnen sich aktuell zaghafte Signale der Entspannung ab: Der Brexit wird kommen zum 31. Januar, daran besteht seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Dezember kein Zweifel mehr. Und auch die USA und China haben sich in Sachen Handelsstreit in den vergangenen Tagen etwas angenähert und ein Phase-1-Abkommen unterzeichnet, das zumindest neue Strafzölle bis auf Weiteres ausschließt.
An den bereits bestehenden Zöllen soll allerdings vorerst festgehalten werden, was das weltweite Wirtschaftswachstum weiterhin verlangsamen dürfte. Zudem hat sich mit den jüngsten Eskalationen im Nahen und Mittleren Osten ein neues Risikofeld aufgetan: Kommt es erneut zum Golfkrieg, wären die Auswirkungen weltweit spürbar, auch, aber nicht nur, im Hinblick auf die Wirtschaftszahlen.