Dax beendet Handelsjahr mit zweistelligen Verlusten – was bringt 2023?
In den letzten 2 Jahrzehnten hat der Dax nur insgesamt viermal auf Jahressicht Verluste eingefahren – inklusive 2022. Mit einem Abschlag von gut 12 Prozent gegenüber dem Jahresbeginn verabschiedete sich Deutschlands Leitindex am vergangenen Freitag aus dem Jahreshandel. Der Schlusskurs lag unter 14.000 Punkten, genauer gesagt bei 13.923 Zählern. Ins Jahr 2022 gestartet war der Dax gut 2.000 Punkte höher mit 15.947 Zählern.
Putin würgt die Wirtschaft ab
Die Abwärtsspirale setzte unmittelbar rund um den Jahreswechsel ein, und das obwohl die Vorzeichen eigentlich nicht schlecht waren. Experten erwarteten für 2022 nach zwei Jahren Pandemie endlich eine wirtschaftliche Entspannung und sahen krisengeplagte Branchen auf Erholungskurs. Mit der zarten Hoffnung auf einen Aufschwung war es dann aber am 24. Februar mit einem Schlag vorbei.
Russlands Präsident Wladimir Putin ließ seine Truppen in die Ukraine einmarschieren, seither tobt ein Krieg mitten in Europa und beherrscht das politische Geschehen. Die geopolitische Zeitenwende, die Abkehr der Annäherung zwischen Ost und West nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall der Mauer wird wohl erst rückblickend in ihrer ganzen Dimension greifbar werden.
Unmittelbar aber zeigen sich die wirtschaftlichen Folgen. Zahlreiche Unternehmen kehrten Russland bereits in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn den Rücken, die rasche vorübergehende Aussetzung oder vollständige Abwicklung des Russlandgeschäfts ging dabei nicht selten mit herben Verlusten einher.
Abkehr von Nullzinspolitik: Notenbanken beenden Ära des billigen Geldes
Hinzu kamen wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland seitens der politischen Akteure westlicher Staatengemeinschaften wie der Europäischen Union oder auch den USA. Die Folgen sind bekannt: Explodierende Energiekosten, historisch hohe Inflationsraten, eine Kehrtwende der Notenbanken in ihrer Zinspolitik. Die Zeit des billigen Geldes ist nach mehr als einem Jahrzehnt vorbei.
Wo vor einem Jahr noch minimale Leitzinsen galten, sind es in der Eurozone inzwischen 2,5 Prozent. Die Federal Reserve in den USA ging noch weiter und hob den Leitzins auf mittlerweile 4,0 bis 4,5 Prozent an. Die Währungshüter versuchen mit diesem Instrument, die Inflation einzudämmen, was allerdings nur mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung gelingen dürfte.
Ölpreis stabilisiert sich zum Jahresende hin
Insgesamt hat das Jahr 2022 einmal mehr gezeigt, wie schwierig es geworden ist, präzise Vorhersagen zu treffen. So stritten sich die Experten zum Jahresauftakt noch darum, ob ein Ölpreis in dreistelliger Höhe im Verlauf der zweiten Jahreshälfte realistisch sei oder nicht – keine 8 Wochen später war es bereits soweit, der russische Angriff ließ den Ölpreis in die Höhe schnellen auf zeitweise mehr als 120 Dollar je Barrel.
Inzwischen hat sich die Lage an den Ölmärkten zwar wieder etwas beruhigt, auch die Inflation ging im November leicht zurück. Dennoch sind die Vorzeichen für das neue Jahr alles andere als rosig. Während Ökonomen für 2022 noch mit einem Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts rechnen, geht die Tendenz für 2023 eindeutig in Richtung Rezession.
Ökonomen rechnen mit Abschwung 2023
Für 2022 liegen die Schätzungen zwischen 1,4 Prozent (Bundesregierung) und 1,9 Prozent (Institut für Weltwirtschaft IfW Kiel). Die Kieler sind unter den führenden Wirtschaftsforschern hierzulande die einzigen, die auch für 2023 eine Chance für ein Mini-Wachstum sehen: In ihren Dezemberberechnungen gehen die Forscher von einem Plus von 0,3 Prozent im neuen Jahr aus.
Ebenfalls im Dezember aktualisierten die Ökonomen vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ihre Prognose. Diese sieht für 2022 ein Plus von 1,8 Prozent und für 2023 eine Stagnation bei 0,0 Prozent voraus. Andere Experten sind pessimistischer.
Deutsche Forschungsinstitute rechnen mit geringem Rückgang
Mit relativ geringen Einbußen rechnen das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung sowie das Münchener ifo-Institut: Beide Institutionen gehen von einem Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung in 2023 um 0,1 Prozent aus.
Mit einem konjunkturellen Einbruch um 0,3 Prozent rechnet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK und liegt damit auf einer Linie mit den Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der OECD.
Experten prognostizieren Rezession
Die Bundesregierung schätzt den Wirtschaftsrückgang 2023 auf 0,4 Prozent. Die Bundesbank prognostiziert ein Minus von 0,5 Prozent, die EU-Kommission von 0,6 Prozent für Deutschland. Die schwächste Prognose lieferte zuletzt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln, das einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,75 Prozent vorhersagt.
Damit sind sich die Wirtschaftsforscher weitgehend einig, was die Richtung angeht – das Ausmaß allerdings bleibt abzuwarten und dürfte durchaus von weiteren Faktoren abhängen, die zum Jahresbeginn noch nicht absehbar sind – das haben die vergangenen drei Jahre, geprägt von Pandemie, Lieferkettenproblemen, Krieg und Inflation deutlich gezeigt.
Angesichts der höheren Zinsen sowie der realen Kaufkraftverluste vieler Privathaushalte dürfte es auch an den Aktienmärkten in nächster Zeit rauer zugehen.