Zwischen Furcht und Hoffnung: Wie steht es um Mercedes?
Inflation, hohe Energiepreise, Corona-Lockdowns in China und nicht zuletzt die anhaltende Verknappung bei Halbleiterchips: Die Autobranche wird aktuell mit einer ganzen Palette an Problemen konfrontiert. Doch was auf den ersten Blick wie ein Desaster anmutet, stellt sich bei genauerer Betrachtung als gar nicht so schlimm heraus.
Mercedes-Benz: mehr Umsatz und Gewinn in Q2
Tatsächlich scheinen die großen Autobauer und vor allem die Premium-Hersteller relativ gut durch die Krisen zu kommen. Allen voran Mercedes-Benz. Vielleicht haben Sie es auch schon in den Medien gelesen: Nach Konzernangaben konnten die Stuttgarter zwischen Anfang April und Ende Juni den Umsatz um stattliche 7 Prozent auf 36,4 Milliarden Euro steigern.
Das bereinigte Betriebsergebnis EBIT verbesserte sich in dem Zeitraum gar um 8 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro. Die bereinigte Umsatzrendite lag somit konzernweit bei soliden 13,4 Prozent. Mercedes-Benz hat also in Q2 noch mehr Geld verdient als im Vorjahreszeitraum – trotz der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, der Lieferengpässe bei Halbleitern und der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs.
Verknappung als Geldgrube
Jene Probleme wirkten sich allerdings erneut negativ auf den Konzernabsatz aus. So konnte man in den drei Monaten bis Ende Juni nur noch 487.100 Fahrzeuge verkaufen. Das entspricht einem Minus von 7 Prozent gegenüber Q2 2021.
Dennoch: Wie in den Vorquartalen hat Mercedes-Benz auch im abgelaufenen Jahresviertel kräftig an der Preisspirale gedreht und seine Produktion vor allem auf teurere Autos verlagert. Gleichzeitig war die Nachfrage vonseiten der Kunden ungebrochen hoch.
Das heißt unterm Strich: Mercedes-Benz verkaufte in Q2 zwar weniger Autos, diese aber zu einer deutlich höheren Marge. Die Chip-Krise erwies sich für die Stuttgarter also abermals als Geldgrube. Schließlich lassen sich dadurch höhere Endpreise begründen und beim zahlungskräftigen Publikum durchsetzen.
Wie lange werden die Kunden noch mitziehen?
Viel wichtiger aber ist der Blick in die Zukunft. Denn: Die Zahlungsbereitschaft der Kunden ist freilich nicht unbegrenzt. Sollte Deutschland etwa wegen des Gasmangels in eine tiefe Rezession stürzen, könnten sich auch die Mercedes-Fans zurückhaltender zeigen.
Die Stuttgarter jedenfalls schürten zuletzt immerhin Hoffnung. So betonte Konzernboss Ola Källenius, dass die Nachfrage nach den Luxusautos auch im Gesamtjahr 2022 robust bleiben werde. Entsprechend erwartet der Manager für das laufende Jahr abermals deutliche Steigerungen bei Umsatz und Ergebnis.
Mercedes-Benz: das Problem mit dem Gas
Doch der größte Unsicherheitsfaktor dürfte nun die Versorgung mit Erdgas sein. Diese bereitet Mercedes nämlich durchaus Sorgen. Zwar kündigten die Stuttgarter an, im Notfall den eigenen Gasverbrauch um 50 Prozent senken zu können – etwa über eine Kompensation mit grünem Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Ob aber die Zulieferer das auch könnten, steht auf einem anderen Blatt. So werden zum Beispiel die deutschen Gießereien, in denen Aluminiumteile für die Autobranche produziert werden, mit Gas befeuert. Fallen diese wegen einer Mangellage aus, könnte das zu einem Stillstand der Produktion bei Mercedes und Co. führen.
Mercedes-Benz-Aktie: mein Fazit für Sie
Man wisse schlicht nicht, was passieren werde, musste Källenius am Mittwoch angesichts des Wirtschaftskriegs mit Russland einräumen. Wenn Sie in den letzten Wochen den Aktienkurs von Mercedes-Benz verfolgt haben, dann dürfte Ihnen aufgefallen sein, wie abhängig der Kurs von den politischen Entwicklungen ist.
Immer dann wenn es eine negative Nachricht zur Gasversorgung in Deutschland gegeben hat, ist die Auto-Aktie nach unten gesackt. Im Umkehrschluss sorgten optimistischere Signale für Belebungsimpulse. Wichtig für Sie als Anleger: Dieses Spannungsfeld dürfte erst einmal bestehen bleiben. Daran werden wohl auch die eigentlich erfreulichen Q2-Zahlen wenig ändern können. Mercedes-Aktionäre brauchen also weiterhin starke Nerven.
Langfristig hingegen ist Mercedes-Benz hervorragend aufgestellt. Die Marke mit dem Stern genießt weltweit eine beachtliche Reputation und verfügt über eine zahlungskräftige Kundschaft, die die Fahrzeuge auch zu sehr hohen Preisen abnehmen. Hinzu kommt die Offensive bei der Elektromobilität, mit der sich der Konzern Perspektive verschafft.
Umso mehr heißt es nun: Geduld beweisen.