Bayer: Aktionäre unzufrieden mit virtueller Hauptversammlung
Als erster Dax-Konzern überhaupt hat der Leverkusener Pharmariese Bayer in dieser Woche seine Hauptversammlung komplett virtuell abgehalten.
Dieses besondere Format sei der aktuellen Situation in der Corona-Krise geschuldet und daher ausnahmsweise zu rechtfertigen, dürfe aber nicht zur Gewohnheit werden, so die Einschätzung von Aktionärsvertretern.
Erstmals rein virtuelle Hauptversammlung
Denn im Gegensatz zur Jahreshauptversammlung mit Präsenz vor Ort sind die Funktionäre virtuell nicht gezwungen, sich kritische Statements vollständig anzuhören. Insgesamt fällt es auf Distanz leichter, skeptische Einwände abzuschmettern. Tatsächlich kommen die Anleger und ihre Vertreter gar nicht persönlich zu Wort, sie sind zum passiven Zuhören verdammt.
Anstatt von ihrem allgemeinen Rederecht Gebrauch machen zu können, mussten Aktionäre ihre Fragen vorab einreichen. Ob dabei tatsächlich alle kritischen Nachfragen berücksichtigt wurden, darf bezweifelt werden.
Die Möglichkeit zum rein virtuellen Aufeinandertreffen zwischen Management und Aktionären hatte die Bundesregierung erst kürzlich geschaffen. Normalerweise sind Präsenzveranstaltungen gesetzlich vorgeschrieben, doch außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen, auch in den Reihen der Dax-Unternehmen.
Umzug ins Netz spart 2,5 Millionen Euro
Für Bayer zahlt sich die Verlagerung ins Netz aus: Mit rund einer Million Euro fiel die diesjährige Hauptversammlung um 2,5 Millionen Euro günstiger aus als die Präsenzveranstaltung im Vorjahr. Dennoch hoffen Anleger darauf, dass künftig diese Termine wieder hauptsächlich analog und physisch anwesend umgesetzt werden. Zu sehr sehen sie sich ansonsten in ihren Mitspracherechten beschnitten.
Andere Dax-Konzerne werden dem Beispiel aus Leverkusen in nächster Zeit wohl folgen, alternativ verschieben einige ihre Hauptversammlung in den Herbst in der Hoffnung, dass sich die Situation bis dahin wieder etwas entspannt haben wird.
Starke Q1-Bilanz – Erwartungen übertroffen, Ausblick unklar
Die Quartalszahlen, die Bayer für die ersten drei Monate des laufenden Jahres vorgelegt hat, können sich unterdessen sehen lassen. Die Erwartungen der Analysten wurden übertroffen: Der Umsatz kletterte im ersten Quartal um 4,8 Prozent auf rund 12,8 Milliarden Euro. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) konnte sogar um 10 Prozent gesteigert werden auf fast 4,4 Milliarden Euro.
Vor allem der Agrar- und Pharmabereich entwickelte sich gut. Bayer zählt zu den wenigen Unternehmen im Dax, die von der Corona-Krise sogar profitieren konnten, in diesem Fall konkret durch eine gesteigerte Medikamentennachfrage. Viele Kunden begannen, nicht nur im Supermarkt, sondern auch in der Apotheke zu „hamstern“, also Vorräte frei verkäuflicher Pharmaprodukte anzulegen.
Den Ausblick für das Gesamtjahr bestätigte die Konzernführung, wies allerdings darauf hin, dass die Folgen der Corona-Pandemie auf die Geschäftsentwicklung nicht absehbar und daher in den bisherigen Schätzungen nicht enthalten seien. Gefährlich wird es für Bayer in dem Moment, wo Lieferketten nicht mehr reibungslos funktionieren und Engpässe drohen.
Glyphosat-Streit köchelt weiter
Die Zahl der Klagen wegen des Unkrautvernichters Glyphosat, mit denen sich Bayer seit der Übernahme des US-Unternehmens Monsanto konfrontiert sieht, ist inzwischen auf rund 52.500 gestiegen. Die Hoffnung auf einen kurzfristig realisierbaren Vergleich, der Schätzungen zufolge mit rund 10 Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen könnte, hat sich bislang nicht erfüllt – Bayer verweist diesbezüglich auf Verzögerungen im Verfahren aufgrund der Pandemie.
Die Bayer Aktie profitierte von der starken Zwischenbilanz: Sie notierte zwischenzeitlich rund 20 Prozentpunkte höher als noch vor einem Monat, hat inzwischen aber wieder etwas an Schwung verloren.