Autobranche meldet Trendwende – und warnt vor neuen Problemen
Es ist ein schwaches Licht erkennbar am Ende des langen Autotunnels: Nachdem Pandemie und Chipkrise den Autobauern in den vergangenen Jahren deutlich zugesetzt hatten, zeichnet sich nun eine allmähliche Entspannung ab.
Steigende Zulassungszahlen im September
So stiegen im September die Verkaufszahlen in Deutschland kräftig um 14 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres. Insgesamt fast 225.000 Neuzulassungen verzeichnete das Kraftfahrtbundesamt innerhalb eines Monats. Zuvor hatte die Behörde monatelang rückläufige Zulassungszahlen vermeldet.
Tatsächlich hatten auch Branchenvertreter schon im Sommer davon gesprochen, dass sich die Krise am Halbleitermarkt zu entspannen beginnt. Die Computerchips werden in modernen Fahrzeugen zigfach verbaut. Im vergangenen Jahr wurden die kleinen Bauteile jedoch buchstäblich zur Mangelware, zeitweise mussten Autohersteller sogar ihre Produktion herunterfahren, um auf fehlende Teile zu warten.
Kippt die Angebotsknappheit nun zum Nachfragemangel?
Die Lieferzeiten für Neufahrzeuge verlängerten sich auf bis zu ein Jahr, geduldige Kunden fanden sich trotzdem. Die nachlassenden Absatzzahlen waren durch ein knappes Angebot begründet, nicht etwa durch fehlende Nachfrage auf Käuferseite. Doch genau das droht sich jetzt zu ändern.
Branchenexperten befürchten, dass nun, da sich die Lieferzeiten wieder verkürzen und die heißbegehrten Chips wieder leichter verfügbar sind, die Kunden wegbleiben – weil ihnen schlichtweg das Geld fehlt oder sie in unsicheren Zeiten keine so große Anschaffung wie einen Neuwagen unternehmen wollen. Immerhin ist noch völlig unklar, wie sich die Energiekrise in den Wintermonaten weiterentwickelt, ob es tatsächlich zu Engpässen oder gar großflächigen Stromausfällen kommt und wie sich all das auf die Lebenshaltungskosten auswirken wird, die ohnehin in diesem Jahr bereits rasant gestiegen sind.
VDA rechnet mit Absatzrückgang im laufenden Jahr
Neben der Inflation wird inzwischen auch eine Rezession vielfach als unausweichlich angesehen und könnte potenzielle Autokäufer zögern lassen. Trotz der neuerlichen Trendwende bei den Absatzzahlen geht der Branchenverband VDA für das Gesamtjahr 2022 weiterhin von sinkenden Absatzzahlen aus – und hat seine Prognose zuletzt noch einmal nach unten korrigiert. In Deutschland werden laut VDA-Schätzung wohl nur 2,5 Millionen Fahrzeuge neu zugelassen. Das wären 6 Prozent weniger als im Vorjahr, als die Autobauer ebenfalls schon über rückläufige Verkaufszahlen berichteten.
Aus Anlegersicht war das bislang noch kein Grund zur Sorge: In der Vergangenheit konnten vor allem Premiumhersteller wie Mercedes-Benz oder BMW die rückläufigen Absatzzahlen durch höhere Verkaufspreise kompensieren. Es wurden kaum noch Rabatte gewährt, zudem wurden bei Produktionsengpässen hochpreisige Modelle priorisiert fertiggestellt. Dadurch fuhren die Autokonzerne trotz Absatzschwäche weiterhin Rekordergebnisse ein, von denen auch die Aktionäre profitierten.
Das Umfeld wird rauer – auch für Autobauer
Diese Rechnung droht nun aber nicht mehr aufzugehen. Auf der einen Seite steigen auch für die Automobilindustrie die Kosten auf allen Ebenen von Material über Transport bis hin zum Energieverbrauch an den Produktionsstätten. Diese werden zwar möglichst an die Kunden weitergegeben, doch in Zeiten, da die Ausgaben in allen Lebensbereichen so kräftig steigen wie seit 4 Jahrzehnten nicht mehr, lässt sich selbst beim Neuwagen nicht unendlich an der Preisschraube drehen.
Zwar sind die Autobauer weit entfernt von existenziellen Nöten, wie sie andere Berufsstände wie etwa die Bäckereien dieser Tage kundtun. Doch auch für Deutschlands Vorzeigeindustrie wird der Wind allmählich rauer.