Hoffnung vs. Angst: Kommt Adidas wieder auf die Spur?

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Konjunktursorgen, Konsumflaute, schwächelndes China-Geschäft und nicht zuletzt das Yeezy-Debakel: Wie Sie sicherlich wissen, ist Adidas aktuell mit einer ganzen Palette an Problemen konfrontiert. Trotzdem schoss die Sportartikel-Aktie am letzten Freitag um rund 9 Prozent nach oben.

Adidas im ersten Quartal 2023: besser als befürchtet

Aber warum die plötzliche Euphorie? Nun, Adidas legte am Freitag seine Zahlen zum ersten Quartal 2023 vor. Kurzum: Die waren zwar alles andere als gut, aber immer noch besser als befürchtet.

So lag der währungsbereinigte Umsatz im Auftaktquartal mit knapp 5,3 Milliarden Euro in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Viele Analysten hatten hingegen mit einem Einbruch gerechnet. Als problematisch erwies sich in Q1 wie erwartet das Ende der Yeezy-Kooperation mit dem US-Rapper Kanye West. Adidas hatte die lukrative Partnerschaft mit West beendet, nachdem dieser unter anderem mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen war.

Das Yeezy-Problem

Der deutsche Traditionskonzern sitzt nun auf hohen Restbeständen rund um das Yeezy-Sortiment. Dabei geht es um Schuhe im Wert von etwa 500 Millionen Euro. Was genau mit diesen Produkten passieren wird, ist immer noch unklar.

Konzernboss Björn Gulden, der bei Adidas kürzlich als Retter in der Not angetreten ist, wollte am Freitag noch nicht sagen, ob die Schuhe zerstört oder verschenkt werden sollen. Auch ein Verkauf und eine anschließende Spende sind demnach möglich. Allerdings stünden dann Kanye West anteilige Lizenzgebühren zu, was Adidas offenbar vermeiden will.

Besonders bitter: In den USA wird Adidas wegen der aufgekündigten Kooperation mit einer Sammelklage konfrontiert. Demnach werfen Investoren dem deutschen Konzern Versäumnisse bei der Berichterstattung vor. Das Unternehmen habe es versäumt, die Aktionäre frühzeitig über Kanye Wests „extremes Verhalten“ zu informieren.  Auch habe Adidas im Vorfeld keine „sinnvollen Vorsichtsmaßnahmen“ ergriffen, um das finanzielle Risiko zu begrenzen.

Finanzchef Harm Ohlmeyer wies die Vorwürfe zunächst zurück und forciert offenbar keine Rückstellungen für die Sammelklage. Ob sich der Optimismus des CFO am Ende bewahrheiten wird, bleibt abzuwarten. Ein zusätzlicher Risikofaktor ist der juristische Konflikt aber allemal.

Lagerbestände sinken – bleiben aber hoch

Ein weiteres Problemfeld sind die hohen Lagerbestände. Wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und der allgemeinen Konsumzurückhaltung konnte Adidas im letzten Jahr seine Waren nicht mehr so gut verkaufen. Immerhin: Die Lagerbestände beliefen sich Ende März auf „nur noch“ 5,68 Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Ende 2022 hatten das Unternehmen hier noch einen Wert von 5,9 Milliarden verbucht. Adidas konnte also in Q1 2023 seine Lagerbestände gegenüber Q4 2022 etwas abbauen. Das macht durchaus Hoffnung auf die Zukunft. Denn: Sinkende Bestände sind ein Zeichen für eine bessere Nachfrage und könnten Adidas die Möglichkeit geben, die Preise zu erhöhen, was im Endeffekt der Profitabilität zugutekommen würde.

Hoffnung auf China

Ebenfalls zuversichtlich zeigte sich das Management in Sachen China. Hier hatte der Konzern wegen der strengen Corona-Maßnahmen im letzten Jahr ordentlich Federn lassen müssen. Zwar ging der Umsatz in der Volksrepublik im ersten Quartal 2023 immer noch um rund 9 Prozent zurück. Die Einbußen waren damit aber prozentual geringer als in 2022. Im letzten Gesamtjahr waren die China-Erlöse noch um 36 Prozent eingebrochen.

Konzernboss Gulden konstatierte nun in einer Telefonkonferenz, dass zumindest die sogenannten „Sell-out“-Umsätze in China zuletzt zweistellig zugelegt hätten. „Sell-out“ bezeichnet den Direktverkauf an Endkunden über Adidas-eigene Einzelhandelsgeschäfte. Der Manager sieht das als Lichtblick für die weitere Entwicklung des China-Geschäfts.

Profitkrise: Wie geht es weiter?

Auf der Ergebnisseite musste Adidas übrigens wie erwartet einen massiven Rückgang hinnehmen. So lag der operative Gewinn nur noch bei 60 Millionen Euro, nach 437 Millionen im Vorjahresquartal. Die operative Marge fiel wegen der hohen Produktrabatte von 8,2 auf 1,1 Prozent. Nach Steuern fuhr Adidas gar einen Verlust von 24 Millionen Euro ein.

Die Prognose für das Gesamtjahr 2023 beließ das Management indes unverändert. Demnach soll der Umsatz nach wie vor im hohen einstelligen Prozentbereich zurückgehen. Das operative Ergebnis könnte im laufenden Jahr auf -700 Millionen Euro fallen – allerdings nur im Worst Case. Das heißt: Sollte das Unternehmen beschließen, den Bestand an Yeezy-Produkten nicht weiter zu verwenden, würde das das Betriebsergebnis um 500 Millionen Euro verringern. Das Adidas-Ergebnis wird 2023 also maßgeblich von der Entscheidung rund um die verbliebenen Yeezy-Schuhe abhängen.

Adidas-Aktie: mein Fazit für Sie

Ohne Frage: Die Quartalszahlen von Adidas sind alles andere als gut. Mit Blick auf die erhoffte Erholung in China und die sinkenden Lagerbestände bieten sie jedoch gewisse Lichtblicke, die ausreichten, um die Aktie am Freitag nach oben zu schicken.

Der Titel hat damit seine seit Herbst andauernde Gegenbewegung nach dem schweren Einbruch der Vormonate fortgesetzt. Allein zwischen Anfang November 2022 und dem 8. Mai 2023 stieg die Aktie um knapp 79 Prozent auf rund 168 Euro, wie Sie im Chart sehen können (Stand: 08.05.2023, 10:15 Uhr, Börse Stuttgart):

Quelle: www.aktienscreener.com

Auf dem Vorkrisen-Niveau ist das Papier allerdings noch lange nicht angekommen. Zum Vergleich: Im Sommer 2021 hatte der Titel noch bei mehr als 300 Euro notiert.

Dass die Adidas-Aktie jetzt die Kraft für weitere Steigerungen hat, wird am Markt eher bezweifelt. So haben etwa die Deutsche Bank, JPMorgan und Warburg Research ihre Kursziele nach den Quartalszahlen auf 170 Euro belassen. Die Schweizer UBS (148 Euro) und die deutsche Baader Bank (133 Euro) sehen gar Abwertungen am Horizont.

Die Unsicherheitsfaktoren jedenfalls bleiben trotz der Lichtblicke nicht zu verachten. So musste das Management auf die immer noch erhöhten Risiken einer Rezession in Europa und Nordamerika hinweisen. Und auch die Erholung in China ist alles andere als gesichert. Hinzu kommen die unklare Strategie bezüglich der Yeezy-Produkte sowie die US-Sammelklage.

Die Aktie dürfte in den nächsten Tagen und Wochen meiner Meinung nach in einem Spannungsfeld zwischen Hoffnung und Angst gefangen bleiben, was eine höhere Volatilität bedeuten könnte. Erwarten Sie als Anleger jetzt am besten keine schnellen Wunder. Erst im nächsten Jahr und darüber hinaus dürfte sich für Adidas das Blatt nachhaltig wenden, auch weil die vom neuen Chef Björn Gulden forcierte Umstrukturierung (u. a. Kostensenkungen und lukrativerer Produktmix) schlicht jede Menge Zeit in Anspruch nimmt.