Adidas Aktie: Licht und Schatten vor Q2-Bilanz

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Wohlwollend könnte man es vielleicht als einen Versuch zur Aufarbeitung, Völkerverständigung und historischen Aussöhnung ansehen, was Adidas sich gerade geleistet hat. Zynisch betrachtet ist es eine Provokation – und realistisch gesehen wahrscheinlich nichts weiter als wirtschaftlich motivierte Ignoranz.

Adidas und seine Werbepartner: Zynisch oder einfach unsensibel?

Darum geht es: Der Sportartikelhersteller versucht sich an Neuauflagen von Retro-Schuhen. Aktuell wird das Modell SL 72 neu beworben. Entwickelt wurde der Turnschuh seinerzeit für die Olympischen Spiele, die 1972 in München stattfanden. Damals wurden elf Mitglieder des israelischen Teams, Athleten und Betreuer, von palästinensischen Terroristen gekidnappt und ermordet. Einen Schuh, der im Kontext mit eben jenem Sportereignis steht, noch einmal groß aufleben zu lassen, ist also ohnehin schon gewagt.

Noch brisanter aber ist die Auswahl des Models, das Adidas für seine Kampagne engagiert hat. Bella Hadid hat nicht nur selbst palästinensische Wurzeln, sondern unterstützt die dortige Bevölkerung öffentlichkeitswirksam auf bedenkliche Weise. Mehrfach teilte sie israelfeindliche Inhalte über ihren Instagram-Account, wurde skandierend auf propalästinensischen Demonstrationen gesichtet und sieht sich nicht erst seit Kurzem mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert.

Nicht der erste Ausfall der Marketing-Abteilung

Dass man ausgerechnet Hadid für eine so sensible Kampagne engagiert und zum Hauptgesicht erkoren hat, zeugt von reichlich wenig Fingerspitzengefühl in der Marketingabteilung der Herzogenauracher. Dabei hätten sie gewarnt sein können: Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass ihnen die Kooperation mit einem Werbeträger wegen dessen potenziell antisemitischer Haltung öffentlichkeitswirksam um die Ohren fliegt.

Allzu gut in Erinnerung sind die Schlagzeilen um Kanye West. Der US-Rapper, ebenfalls für antisemitische und sonstige verbale Entgleisungen berüchtigt, arbeitete jahrelang eng mit Adidas zusammen. Die gemeinsam vermarktete Yeezy-Kollektion war ein echter Verkaufsschlager und spülte gutes Geld in die Kassen des Konzerns. Als West seine Tiraden aber irgendwann auf die Spitze trieb, sah man sich bei Adidas gezwungen, doch noch die Reißleine zu ziehen. Im Herbst 2022 wurde die Kooperation abrupt aufgekündigt, Negativschlagzeilen, Aktienrutsch und finanzielle Einbußen im zweistelligen Millionenbereich inklusive.

Schlecht fürs Image?

Angesichts der nun aufflammenden Kritik um Hadid hat Adidas angekündigt, seine Kampagne überarbeiten zu wollen. Details blieben dabei zunächst offen. Neben Hadid werben drei weitere Prominente für den 72er-Schuh.

Wie viele andere alteingesessene deutsche Unternehmen blickt auch Adidas auf eine eigene NS-Geschichte zurück. Firmengründer Adolf Dassler teilte nicht nur den Vornamen, sondern auch das Parteibuch mit der wohl problematischsten historischen Figur dieses Landes. Dass man bei der Auswahl der Kooperationspartner derart wenig Geschichtsbewusstsein an den Tag legt – und das gleich mehrfach – könnte sich auf das Image der Marke negativ auswirken.

Anleger feiern starke Q2-Zahlen

Dass Promis aus Sport, Musik und Medien eingespannt werden, um Schuhe und andere modische Accessoires zu bewerben, ist nicht neu und wird in Zeiten von Social Media immer wichtiger. Der Pool an prominenten Personen, die bis dato nicht mit problematischen Parolen auf sich aufmerksam gemacht haben, ist jedoch so groß, dass es allmählich auffällig anmutet, wie zielsicher Adidas sich für seine Kampagnen die Problemfälle herauspickt.

Anleger scheinen diesbezüglich vorerst nachsichtig. Solange keine konkreten wirtschaftlichen Folgen drohen, tut auch der jüngste Skandal dem Erfolgskurs der Aktie keinen Abbruch. Erst vor wenigen Tagen erreichte das Papier seinen vorläufigen Jahreshöchststand von gut 240 Euro, angetrieben durch eine starke Q2-Bilanz.

Adidas hebt erneut Gewinnprognose an

Die Zahlen fielen so gut aus, dass der Konzern seine bisherige Gewinnprognose für das laufende Jahr deutlich anheben konnte. Anstelle von 700 Millionen Euro rechnet Adidas nun mit einem operativen Gewinn im Gesamtjahr von rund 1 Milliarde Euro. Es ist bereits die zweite Anhebung der Gewinnprognose innerhalb von gerade einmal drei Monaten.

Im zweiten Quartal kletterte der Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 11 Prozent auf 5,82 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn konnte sich nahezu verdoppeln von 176 auf 346 Millionen Euro. Mit beiden Werten übertraf Adidas die eigenen Prognosen sowie die Erwartungen der Märkte deutlich.

Fernduell: Adidas performt besser als Nike

Gut lief unter anderem der Abverkauf der Yeezy-Produkte aus der Kooperation mit dem US-Skandalrapper. Allein daraus generierte Adidas Einnahmen von etwa 50 Millionen Euro. Die verbleibenden Restbestände dürften nun aber keine Gewinne mehr abwerfen: Man will das Kapitel zeitnah abschließen und den Rest bis Ende 2024 zum Selbstkostenpreis veräußern.

Für Adidas laufen sowohl die Geschäfte als auch die Aktienkursentwicklung damit deutlich besser als für den Konkurrenten Nike. Die weltweite Nummer 1 der Sportartikelhersteller hat vor wenigen Wochen seine Prognosen gekappt, die Nike Aktie hat seit Beginn des Jahres rund ein Drittel an Wert verloren.

Adidas Aktie: Analysten heben reihenweise Kursziele an

Die bisherigen Zahlen aus Herzogenaurach sind dabei nur ein Vorgeschmack und eine Richtungsvorgabe. Im Detail werden die Quartalszahlen dann voraussichtlich am 31. Juli veröffentlicht.

Analysten reagierten vielfach mit Anhebungen des Kursziels für die Adidas Aktie auf die vorläufigen Zahlen, ohne dabei jedoch ihre grundsätzlichen Einstufungen zu verändern. Kaufempfehlungen kommen somit nach wie vor von der Deutschen Bank, die das Kursziel von 255 auf 265 Euro erhöhte, und von der US-Großbank JP Morgan, die nach 250 nunmehr 260 Euro für eine angemessene Bewertung hält. Ebenfalls 260 Euro, aber mit neutraler Empfehlung, sehen die Experten von Goldman Sachs als neues Kursziel und haben damit die vorherige Zielvorgabe von 230 Euro deutlich nach oben korrigiert.