Chevron/Hess: Warum der Milliarden-Deal auf der Kippe steht

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Vielleicht haben Sie es auch in den Medien gelesen: Der zweitgrößte Ölkonzern der USA, Chevron, will den kleineren Konkurrenten Hess für rund 53 Milliarden USD schlucken. Nun haben die Aktionäre von Hess dem Deal zugestimmt. Trotzdem: Die geplante Übernahme ist extrem heikel und könnte tiefe Gräben in der US-Ölindustrie schaffen, vor allem mit Blick auf den Branchenprimus Exxon Mobil.

Doch der Reihe nach: Auf der folgenden Karte sehen Sie die Aktivitäten von Hess in den USA, Thailand/Malaysia sowie nicht zuletzt in Surinam und Guyana:

Quelle: Hess (https://www.hess.com/operations/operations-map)

Chevron schielt auf Mega-Ölfeld Stabroek vor der Küste Guyanas

Besonders heikel ist das Engagement in Guyana, das laut Branchenkennern der entscheidende Grund ist, warum sich Chevron überhaupt für Hess als Übernahmeziel entschieden hat. Hess ist vor der Küste des südamerikanischen Landes am sogenannten Stabroek-Block beteiligt.

Dabei handelt es sich um ein 6,6 Hektar großes Ölfeld mit entdeckten und förderbaren Ressourcen von mehr als 11 Milliarden Barrel Öläquivalent (Öl + Gas). Hinzu kommt ein Explorationspotenzial von etlichen Milliarden Barrel. Stabroek ist bereits in Betrieb – allerdings nur die ersten drei Phasen des Projekts. Die volle Inbetriebnahme ist derzeit für 2027 geplant. Hess besitzt 30 % an dem Projekt, 25 % entfallen auf den chinesischen Ölkonzern CNOOC und 45 % auf den US-Primus Exxon Mobil, der zugleich der Betreiber des Offshore-Ölfelds ist.

Die Beteiligung in Guyana ist das mit Abstand wachstumsstärkste Asset von Hess. Für das erste Quartal 2024 hatte der Öl-Player kürzlich einen überraschend guten Gewinn präsentiert, der auch auf die kontinuierliche Steigerung des Outputs von Stabroek zurückzuführen ist. Demnach wuchs der Produktionsanteil von Hess in Guyana um satte +70 % auf 190.000 Barrel pro Tag. Insgesamt förderte das Unternehmen im Auftaktquartal 476.000 Barrel Öläquivalent.

Schiedsverfahren: CNOOC und Exxon melden Vorkaufsrecht für Hess-Assets an

Doch eben dieses Wachstumspotenzial in Guyana sorgt aktuell für dicke Luft in der Ölbranche. Denn: Beide Miteigentümer, CNOOC und Exxon, konstatieren, dass sie ein Vorkaufsrecht für die 30-prozentige Beteiligung von Hess an Stabroek hätten. Diese Vereinbarung sei bei der Gründung des Konsortiums festgelegt worden, so Exxon. Der US-Ölprimus hatte deshalb bereits im März bei der Internationalen Handelskammer in Paris ein Schiedsverfahren angeregt, das nun die Fronten klären soll.

Chevron und Hess hingegen weisen das von CNOOC und Exxon angeführte Vorkaufsrecht zurück. Chevron etwa führt an, dass die Vereinbarung zwischen den Konsortiumspartnern juristisch nicht gegen eine Fusion mit Hess eingesetzt werden könne. Es bleibt nun abzuwarten, wie das Schiedsgericht am Ende entscheiden wird. Was klar ist: Die geplante Übernahme von Hess durch Chevron wird sich durch den Streit in die Länge ziehen und 2024 wohl nicht mehr über die Bühne gehen können. Ursprünglich war ein Abschluss im ersten Halbjahr 2024 vorgesehen.

Platzt der Deal zwischen Chevron und Hess?

Sollte das Schiedsverfahren zugunsten von Hess und Chevron ausgehen, könnte der Deal abgeschlossen werden – insofern zusätzlich die behördlichen Genehmigungen erteilt würden. Branchenkenner sehe eine Zustimmung durch die Wettbewerbshüter derweil als wahrscheinlich an.

Sollte das Schiedsgericht aber Exxon Mobil zustimmen, könnte der Deal auch gänzlich platzen. Der Grund: Sollte Chevron trotz Niederlage eine Transaktion forcieren, müssten die Assets von Hess in Guyana vorher abgetrennt werden. Hess würde dann entweder ein eigenständiges Unternehmen bleiben, dessen Portfolio nur aus der Beteiligung an Stabroek bestände. Oder zum Beispiel Exxon Mobil würde sich den Restanteil von Hess einverleiben. Tatsächlich kursiert bei Exxon laut Medienberichten derzeit die Hoffnung, dass man die lukrative Beteiligung in Guyana dem Erzviralen Chevron praktisch vor der Nase wegschnappen könnte.

Chevron könnte daher nach einer krachenden Niederlage vor Gericht von seinen gesamten Übernahmeambitionen absehen, auch wenn dies möglicherweise mit finanziellen Entschädigungen einhergehen würde. Ohne die wachstumsstarken Assets in Guyana könnte die Attraktivität von Hess schlicht nicht groß genug sein, um eine Übernahme vor den Aktionären zu begründen. Einige Chevron-Investoren hatten vor kurzem auf der Hauptversammlung bereits auf das hohe Risiko hingewiesen, das der Konzern durch den Streit mit Exxon auf sich lade. Die kritischen Stimmen blieben auf dem Aktionärstreffen allerdings in der Minderheit.

Mein Fazit für Sie

Als Anleger können Sie aus dem neusten Konflikt zwischen Chevron und Exxon Mobil auch eine interessante Erkenntnis mitnehmen: Dass die beteiligten Konzerne so erbittert praktisch um jeden Tropfen Öl kämpfen, untermauert die Bedeutung des fossilen Rohstoffs als Wachstumstreiber der Branche und damit auch als Motor der Weltwirtschaft. Die großen US-Ölkonzerne investieren eben nicht massiv in erneuerbare Energien, sondern pumpen Milliardensummen in Öl und Gas.

Damit entsprechen die Big Player zumindest in Teilen der politischen Agenda des Weißen Hauses. Denn: Auch unter US-Präsident Joe Biden boomen die fossilen Rohstoffe. Tatsächlich sind nicht nur die Gewinne, Aktionärsrenditen und Produktionsquoten der großen US-Ölkonzerne unter der Biden-Administration massiv gestiegen, sondern auch die Beschäftigtenzahlen. Diese wuchsen gar deutlicher als im Bereich der erneuerbaren Energien, die von Biden öffentlichkeitswirksam unterstützt werden.

Der Grund: Öl und Gas sind nach wie vor unersetzbare Energieträger, die noch sehr viele Jahre dringend gebraucht werden, um die Wirtschaft am Laufen zu halten – trotz Energiewende. Sollte im November gar Donald Trump zum nächsten Präsidenten gewählt werden, könnte sich das Umfeld für Big Oil in den USA noch weiter verbessern.