CD Projekt – Warten auf den programmierten Spiele-Hit
Der polnische Computer- und Videospieleentwickler CD Projekt hat im ersten Halbjahr 2023 schlechtere Umsatz- und Gewinnzahlen verbucht als im Vorjahr. Entscheidend für das Gesamtjahr wird aber die bevorstehende Veröffentlichung von „Cyberpunk 2077: Phantom Liberty” Ende September.
Gamescom auf dem Weg zurück zu Vor-Corona-Zahlen
Etwa 320.000 Spielebegeisterte haben letzte Woche die Gamescom in Köln besucht, dazu kamen viele Millionen Zuschauer bei den Online-Übertragungen – damit ist zwar der 2019 erreichte Rekord (373.000) noch recht weit entfernt, das Ergebnis des Vorjahres wurde aber um stattliche 55.000 Besucher übertroffen. Die Spielebranche boomt, und auf der Kölner Messe konnten Fachpublikum und Fans sich auf die Suche nach den nächsten großen Hits machen.
Einer der Titel, die am meisten Interesse weckten, war „Cyberpunk 2077: Phantom Liberty”, eine umfangreiche Erweiterung des anfangs problembeladenen, längerfristig aber sehr erfolgreichen Science Fiction-Spiels „Cyberpunk 2077″ der Rollenspielexperten von CD Projekt. „Phantom Liberty” soll bereits am 26. September 2023 erscheinen und wird die erste große Veröffentlichung des Warschauer Unternehmens seit „Cyberpunk 2077″ im Dezember 2020.
Langlebigkeit durch Qualität
Dass CD Projekt eine beinahe dreijährige Phase ohne neue Produkte (abseits eines im Sommer 2021 veröffentlichten Mobile-Games) ohne große Umsatzeinbrüche überstanden hat, ist besonders bemerkenswert. Denn die Polen setzen bei ihren PC- und Konsolenspielen aus Prinzip nicht auf jene ebenso umstrittenen wie lukrativen Monetarisierungsmechaniken, für die beispielsweise der US-Branchenriese Electronic Arts bekannt und berüchtigt ist.
So verzichtet CD Projekt bewusst auf Saison-Pässe, die Spieler mit zusätzlichen Inhalten von erfahrungsgemäß oft überschaubarer Qualität versorgen. Auch In-Game-Käufe kosmetischer Gegenstände für die Spielfigur, Lootboxen und ähnliches gibt es bei den Vollpreis-Spielen von CD Projekt nicht.
Stattdessen setzt das Unternehmen bei der langfristigen Kundenbindung auf hohe inhaltliche Qualität, regelmäßige kostenlose Updates und große kostenpflichtige Erweiterungen, die wie das kommende „Phantom Liberty” mit neuen Features und Spielmechaniken mitunter sogar das Basisspiel stark umkrempeln.
Strategie funktioniert
Diese Methode mag weniger Geld in die Kassen spülen, sie funktioniert für CD Projekt aber gut: Das als Meisterwerk gefeierte Fantasy-Rollenspiel „The Witcher 3: Wild Hunt” verkauft sich auch acht Jahre nach Veröffentlichung noch gut – im Mai wurde die Marke von 75 Millionen verkauften Exemplaren der „The Witcher”-Trilogie überschritten, darunter 50 Millionen „The Witcher 3″. Auch „Cyberpunk 2077″ konnte seinen schwierigen Start (einige Konsolenversionen waren zunächst wegen zahlreicher technischer Probleme nahezu unspielbar) durch stetige Verbesserungen wettmachen und findet mit insgesamt mehr als 20 Millionen verkauften Spielen nach wie vor viele Käufer.
Umsatz sinkt erwartungsgemäß
Im am 30. Juni 2023 abgeschlossenen ersten Halbjahr (H1) des Geschäftsjahres 2023 musste CD Projekt einen binnen Jahresfrist um 13,4 Prozent auf 70,5 Millionen Euro gesunkenen Umsatz verkraften. Neben dem Fehlen neuer Produkte lässt sich der Rückgang primär damit erklären, dass 2022 durch die Veröffentlichung von „Cyberpunk 2077″ für die neuen Konsolengenerationen das beste erste Quartal in der Unternehmensgeschichte erzielt wurde.
Beim Spielestudio CD Projekt Red ergab sich ein Umsatzminus von 17,3 Prozent, bei der ebenfalls zur CD Projekt Group zählenden und vor allem in den USA, in Deutschland und in Polen beliebten digitalen Spiele-Vertriebsplattform GOG.com ging es nur um 4,8 Prozent nach unten.
Gewinnrückgang etwas höher als gedacht
Der operative Gewinn (EBIT) sank in H1 im Vorjahresvergleich um 27,5 Prozent auf 21,5 Millionen Euro, der Nettogewinn um 19,2 Prozent auf 19,8 Millionen Euro. Damit wurden die Erwartungen der Analysten knapp verfehlt. Das verwässerte Ergebnis je Aktie verschlechterte sich entsprechend von 0,24 auf 0,20 Euro.
Die Aktie von CD Projekt ist noch weit von ihrem Höchststand von etwas über 100 Euro vor dem verpatzten „Cyberpunk 2077″-Start entfernt, hat sich in diesem Jahr aber gut erholt: Seit Mitte April ist der Kurs von knapp 23 Euro um über die Hälfte bis auf gut 38 Euro gestiegen. Im deutschen Vormittagsgeschäft dreht der Kurs nach der Veröffentlichung der Halbjahresbilanz gestern Abend bei knapp 34 Euro leicht ins Minus. Doch sollte die Veröffentlichung von „Phantom Liberty”, mit dessen bisherigen Vorverkaufszahlen sich Unternehmenschef Adam Kiciński „sehr glücklich” zeigt, Ende September diesmal einigermaßen reibungslos ablaufen, besteht noch reichlich Phantasie nach oben – zumal inzwischen auch die Arbeiten am von Millionen Fans sehnlichst erwarteten „The Witcher 4″ in vollem Gang sind.