Brenntag – Die Chemie stimmt nicht mehr
Der deutschen chemischen Industrie geht es nicht gerade glänzend. Das zeigt eindrucksvoll auch die Quartalsbilanz des DAX-Mitglieds Brenntag.
Erwartungen der Experten verfehlt
Das Essener Unternehmen, das sich als „Weltmarktführer in der Distribution von Chemikalien und Inhaltsstoffen“ bezeichnet, musste im zweiten, am 30. Juni beendeten Geschäftsvierteljahr 2023, herbe Einbußen bei Umsatz und Gewinn hinnehmen. Die Prognosen der Analysten wurden zudem deutlich verfehlt.
Dennoch nannte Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner die Ergebnisse angesichts „herausfordernder und widriger Marktbedingungen“ solide. Das Vergleichsquartal 2022 war ein Rekord-Vierteljahr für den Konzern. Deshalb fällt die Minus besonders hoch aus.
Das gesamte erste Halbjahr war Kohlpaintners Worten nach von einem Bestandsabbau bei den Brenntag-Kunden und rückläufigen Preisen für viele Chemikalien geprägt. Bei den Verkaufserlösen machte sich das mit Umsatzverlusten von 15,9% auf 4,3 Milliarden Euro bemerkbar. Analysten hatten im Durchschnitt mit knapp 4,6 Milliarden Euro gerechnet. Ein Teil der Einbußen war ungünstigen Wechselkursen zuzuschreiben – währungsbereinigt betrug das Minus „nur“ 13,7%. Im ersten Halbjahr 2023 insgesamt ging der Umsatz um 8,4% auf 8,8 Milliarden Euro zurück.
Über ein Drittel niedrigeres Ergebnis je Aktie
Beim Ertrag schlug sich das ungünstige Umfeld in der Chemieindustrie noch stärker auf die Ergebnisse nieder. Der operative Gewinn (EBITA) sackte im zweiten Quartal um 25,8% auf 332,2, Millionen Euro ab. Auch hier spielten die Devisenkurse, sprich der starke Euro und schwache Dollar, ein Rolle, zu konstanten Wechselkurse betrug der Rückgang 19,8%. Nach Ertragssteuern rutschte das Konzernergebnis sogar um 35,7% auf 189,1 Millionen Euro ab und beim Ergebnis je Aktie standen nur noch 1,23 Euro zu Buche – ein Minus von gut einem Drittel. Analysten hatten hier im Schnitt mit 1,36 Euro kalkuliert, ihre Erwartungen wurden also deutlich verfehlt.
Für das zweite Halbjahr 2023 zeigt sich Kohlpaintner recht zurückhaltend. Er rechnet mit einem weiterhin schwierigen Umfeld und ungünstigen Währungseinflüssen. Deshalb reduziert Brenntag seinen Ausblick auf den unteren Rand der bisherigen Prognose.
Das operative EBITA soll nun zwischen 1,3 und 1,4 Milliarden Euro erreichen. Bislang hatte das Management 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro als Ziel angegeben. Das entspricht ziemlich genau den Schätzungen der Analysten, die vor den Zahlen im Durchschnitt 1,36 Milliarden Euro betragen hatten.
Baader Bank sieht weiterhin 99 Euro als Kursziel
Der relative robuste Ausblick – statt einer befürchteten Gewinnwarnung – stützte die Brenntag-Aktie im Vormittagshandel, zumal die Baader Bank, die als erste auf die Zahlen reagierte, ihre Einschätzung auf „Kaufen“ mit einem Kursziel von 99 Euro beließ. Der Kurs verbesserte sich um knapp 3% auf rund 70 Euro. In den letzten drei Monaten hatte die Aktie fast 9% verloren.
Hajo (Heinz-Josef) Simons, Jahrgang 1956, arbeitet seit gut 30 Jahren als Wirtschafts- und Finanzjournalist.
